Schau Dich Nicht Um
auch nicht wegkommen?«
»Dann wird Neil eben eine Vertagung beantragen«, entgegnete Don ruhig. »Jess, du bist doch nicht am Wetter schuld.«
»Und wenn wir jetzt fahren?«
»Dann werden wir die Nacht wahrscheinlich in einer Schneewehe verbringen. Aber wenn du das möchtest, können wir es riskieren.«
Jess sah durch das hintere Fenster in einen Schneesturm hinaus, der mit voller Stärke wütete. Sie mußte sich eingestehen, daß es Wahnsinn gewesen wäre, bei diesem Wetter die Fahrt zu wagen. »Wann ist das Essen fertig?« fragte sie.
»Das war Detective Mansfield.« Jess schob das Telefon weg und starrte geistesabwesend in die lodernden Flammen im offenen Kamin. Sie erinnerten sie an sich bedrohlich wiegende große Schlangen. »Terry Wales ist bei keinem der vier Bogenschützenvereine, die sie bis jetzt erreicht haben, Mitglied. Jedenfalls steht er nicht in ihrer Liste.«
»Haben sie sein Foto rumgezeigt?«
Jess nickte. »Niemand hat ihn erkannt.«
»Bleiben aber immer noch zwei andere Vereine, nicht wahr?«
»Ja. Aber die können wir erst morgen erreichen.«
»Dann kannst du jetzt nichts weiter tun als abschalten und dich ausruhen.« Don, der neben Jess auf dem weißen Teppich saß, drehte das lange Telefonkabel um seine Finger und stellte den Apparat wieder auf den niedrigen Tisch zwischen den beiden Sofas.
Jess beobachtete wie gebannt die Bewegung seiner Hände. »Hab ich dir eigentlich erzählt«, sagte sie langsam, »daß der Draht um Connie DeVuonos Hals so fest zugezogen war, daß er sie beinahe enthauptet hätte?«
»Versuch jetzt nicht daran zu denken, Jess«, riet Don und nahm sie in die Arme. »Komm, du hast gut gegessen und einen guten Wein getrunken, und jetzt ist es Zeit zu -«
»Es ist meine Schuld«, unterbrach sie ihn. Sie spürte förmlich, wie der dünne Draht in Connies Hals einschnitt.
»Deine Schuld? Jess, was redest du da?«
»Wenn ich Connie nicht überredet hätte, trotz allem auszusagen, wäre sie jetzt noch am Leben.«
»Jess, das ist doch lächerlich. Du konntest das doch nicht wissen. Du darfst dir deswegen keine Vorwürfe machen.«
»Es muß grauenvoll gewesen sein«, fuhr Jess fort. Sie schauderte und drückte sich fester an Don. »Der Schmerz, als der Draht in ihren Hals einschnitt, zu wissen, daß sie sterben würde.«
»Mein Gott, Jess...«
Jess begann wieder zu weinen. Don neigte sich zu ihr hinunter und küßte ihr die Tränen von den Wangen.
»Es ist ja gut, Baby«, sagte er. »Es wird alles gut. Du wirst schon sehen. Es wird alles gut.«
Seine Lippen streichelten sanft und beruhigend ihre Haut, als er ihre Wangen küßte, ihre Mundwinkel, ihre Lippen. Jess schloß die Augen und dachte an Adam, wie er sich über den Eßtisch gelehnt hatte, um sie zu küssen. Sie spürte, wie sie auf Dons Zärtlichkeiten reagierte, und wußte, daß es der falsche Mann war. Aber sie konnte nichts dagegen tun.
Es ist so lange her, dachte sie und hob die Arme, um Adam zu umfangen, als Dons Hände unter ihrem roten Pullover verschwanden, am Reißverschluß ihrer Jeans zogen. Adams Zärtlichkeiten waren es, denen sie sich hingab, als Dons Körper sich auf den ihren senkte; Adam war es, der sie mit wissenden Berührungen seiner Finger und seines Mundes zu einem wohligen Höhepunkt führte, ehe er in sie eindrang.
»Ich liebe dich, Jess«, hörte sie Adam sagen, aber als sie die Augen öffnete, sah sie Don.
18
D er Traum begann wie immer im Wartezimmer einer Arztpraxis. Der Arzt reichte ihr ein Telefon und sagte ihr, ihre Mutter sei am Apparat.
»Ich spiele die Hauptrolle in einem Film«, sagte ihre Mutter. »Ich möchte, daß du kommst und ihn dir ansiehst. Ich hinterlege Karten für dich an der Kasse.«
»Ich komme«, und schon Sekunden später war sie an der Kinokasse und fragte die kaugummikauende Kassiererin nach ihren Karten.
»Es hat niemand Karten für Sie hinterlegt«, erklärte das Mädchen. »Und die Vorstellung ist ausverkauft.«
»Suchen Sie eine Karte?« fragte Mrs. Gambala und gab ihr eine. »Ich kann nicht gehen. Meine Tochter hat eine Schildkröte verschluckt und ist daran gestorben. Darum hab ich jetzt eine Karte übrig.«
Das Kino war dunkel, der Film würde gleich anfangen. Jess fand einen freien Platz am Gang, setzte sich, wartete. »Ich habe einen Knoten in meiner Brust entdeckt«, sagte ihre Mutter, als Jess zur Leinwand blickte. Aber eine mächtige Säule versperrte ihr die Sicht. Ganz gleich, wie verzweifelt sie es versuchte, wie hartnäckig sie
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