Schau mir ins Herz
erinnern. Andererseits – wozu, wenn Nicolas ihr ohnehin nicht glaubte?
Sie klammerte sich an den letzten Strohhalm.
„Was sollte mich davon abhalten, mich auf die Suche nach dem Filmteam zu machen und den Leuten zu erzählen, dass du mich entführt hast?“
„Mehrere Gründe“, antwortete er gleichmütig. „Erstens haben sie Gozo heute Morgen verlassen. Zweitens würdest du nicht weit kommen ohne Geld. Und selbst wenn du welches hättest, wäre dein Fluchtversuch spätestens am Flughafen von Malta zu Ende. Ohne Pass dürfte es schwierig sein, an Bord einer Maschine zu gelangen.“
Carol verlor die Beherrschung. „Du hast meinen Pass an dich genommen?“, rief sie wütend. „Ich bestehe darauf, ich verlange von dir, dass du ihn mir zurückgibst! Und hör auf, dich wie ein mittelalterlicher Lehnsherr aufzuspielen“, setzte sie hinzu. Nur mit Mühe unterdrückte sie den kindischen Wunsch, zu schreien und mit den Füßen aufzustampfen.
Nicolas’ Augenbrauen gingen in die Höhe, und das leichte Lächeln auf seinem Gesicht ließ ihn gefährlicher wirken als jemals zuvor.
„Was willst du mit einem ungültigen Pass?“, fragte er kühl.
„Er ist nicht ungültig“, widersprach Carol aufgebracht. „Ich habe ihn erst seit zwei Jahren.“
„Er ist nicht abgelaufen“, räumte er ein, „aber er lautet auf deinen Mädchennamen. Ich gebe dir die Antragsformulare für einen neuen, auf denen du mit deinem Ehenamen unterzeichnen kannst, sobald ich sie habe.“
Und damit war die Sache erledigt. Spiel, Satz und Sieg für Nicolas. Am liebsten hätte Carol ausgeholt und ihn geschlagen.
„Und was hast du sonst noch arrangiert?“, fragte sie stattdessen. „Eine Anzeige in die Times setzen lassen?“
„Die Bekanntgabe der Verlobung ist bereits an mehrere englische Zeitungen gegangen. Sie dürfte spätestens übermorgen erscheinen.“
„Du hast wahrhaftig an alles gedacht“, versetzte sie bitter. „Habe ich bei all dem irgendein Mitspracherecht, oder betrachtest du mein Einverständnis als gegeben?“
„Die Frage deines Einverständnisses stellt sich nicht“, erwiderte Nicolas nüchtern. Er stand auf und wandte sich zum Gehen.
„Unterschreib einfach auf der gepunkteten Linie, wenn es so weit ist, nicht wahr?“ Carol erhob sich ebenfalls. „Eins noch“, sagte sie und starrte ihn an. „Weshalb willst du dich überhaupt an mich binden? Wenn ich das bin, was du von mir glaubst, warum willst du eine derart verlogene, hinterhältige, betrügerische Person heiraten?“
Er betrachtete sie kühl. „Deine Beschreibung passt auf so gut wie alle Frauen“, antwortete er. „Du bist nur ein erneutes Beispiel dafür, dass man keiner von ihnen trauen kann, egal wie reizvoll sie sind. Im Grunde genommen bist du nicht schlimmer als irgendeine beliebige andere.“
Carol fehlten die Worte, um dieser unfassbaren Anschuldigung etwas entgegenzusetzen.
Schon am nächsten Tag stellte Nicolas sie offiziell seiner Mutter vor. Er tat es mit all den kleinen Anzeichen, die einem Außenstehenden signalisieren mussten, wie viel Zuneigung er für seine junge Braut empfand.
Carol war sicher gewesen, dass diese Begegnung eine Qual für sie würde, und so war es auch – allerdings auf eine vollkommen andere Art, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie war davon ausgegangen, einem Drachen gegenübertreten zu müssen, und einem keineswegs freundlichen obendrein. Dass sie mit Zuneigung und Freude willkommen geheißen würde, hatte sie nicht erwartet.
„Sie also sind die bemerkenswerte junge Frau, die meinen Sohn sehr glücklich machen wird.“ Die Baronin nahm Carols Hand und sah ihr fest in die Augen. Der Blick der älteren Dame war direkt und offen, und als sie lächelte, fühlte Carol sich an Nicolas’ Lächeln erinnert, nur dass sie bei seiner Mutter nichts von dem Spott und dem Zynismus entdecken konnte, die so harte Kerben in Nicolas’ Gesicht gegraben hatten. Mit dem hochfrisierten Haar, das ihren Kopf wie eine Krone umgab, sah die baronessa eher aus wie eine Königin denn wie ein Drache.
„Ihr habt euch entschlossen, einen Weg einzuschlagen, auf dem ihr viel Schönes miteinander erleben werdet“, sagte sie, „auf dem es aber auch manchen Sturm und manches Unwetter geben kann.“ Sie lächelte Nicolas zu und wandte sich wieder an Carol. „Lassen Sie sich auf keinen Fall von Nicolas herumkommandieren. Er ist schon so lange das Oberhaupt der Familie, dass er ein wenig tyrannisch geworden ist.“
Ein wenig?, dachte
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