Schau mir ins Herz
Carol, aber sie war so überrumpelt von dem herzlichen Empfang, dass sie nicht viel mehr zuwege brachte, als errötend zu versichern, sie wolle sich Mühe geben. Es machte sie nervös, dass Nicolas sie nicht aus den Augen ließ, und sie war erleichtert, als die baronessa ihn in ihr Arbeitszimmer schickte.
„Du findest die Papiere, die du dir ansehen wolltest, auf dem Schreibtisch, mein Sohn“, sagte sie lächelnd.
„Dass ausgerechnet du behauptest, ich sei tyrannisch“, erwiderte Nicolas scherzend, doch er ging und ließ die beiden Frauen allein.
„Lassen Sie uns in den Garten gehen“, wandte die baronessa sich an Carol. „Es ist noch nicht zu heiß, um draußen zu sitzen und ein wenig zu plaudern, und ich bin gespannt auf alles, was Sie mir zu erzählen haben.“
Wenn ich es doch nur könnte, dachte Carol und folgte ihrer Gastgeberin auf die Terrasse hinaus, von der aus ein paar Stufen in einen Garten führten, der einem Blütenmeer glich.
„Gefällt er Ihnen?“ Die baronessa lächelte, als Carol einen Laut des Entzückens ausstieß. „Er ist dem künstlichen Tal in den San-Anton-Gärten auf Malta nachempfunden.“
Sie stellte ihr keine Fragen zu Nicolas oder darüber, wie er und Carol sich kennengelernt hatten, und Carol war dankbar, dass es ihr erspart blieb, irgendetwas beschönigen oder gar die Unwahrheit sagen zu müssen.
„Warum hast du mich nicht vor deiner Mutter gewarnt?“, fragte sie Nicolas, als er sie zu dem alten Wehrturm zurückbrachte.
„Hätte ich das denn tun sollen? War sie derart einschüchternd?“
„Gar nicht einschüchternd“, korrigierte Carol. „Sondern im Gegenteil, ganz bezaubernd. Und herzlich. Ich fand es furchtbar, sie so zu täuschen.“
Nicolas sah sie von der Seite her an, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu.
„Das erscheint mir nur gerecht“, sagte er ausdruckslos.
„Wie kannst du ihr das antun?“
„Was antun?“
„Du weißt, was ich meine. Dein Plan. Dieser ganze Schwindel.“
„Und was glaubst du, was es ihr antut, wenn sie die Wahrheit erfährt?“, erwiderte Nicolas finster. „Wenn ich ihr sage, dass ihr Sohn eine Ehe eingegangen ist, deren Zustandekommen ihn und die ganze Familie auf die Titelseiten der Sensationspresse bringt, wenn etwas davon bekannt wird? Dass man den Barone de Comino zur Lachnummer gemacht hat? Dass er hereingelegt wurde von einer Erpresserin?“
Carol biss die Zähne zusammen. Sie hatte auch ihren Stolz. Wozu sollte sie ihre Unschuld beteuern, wenn er entschlossen war, ihr nicht zu glauben?
„Ich versuche, meiner Mutter Kummer zu ersparen“, fuhr Nicolas fort. „Nur aus diesem Grund regele ich die Sache zwischen uns beiden so, wie ich es tue. Es ist mir egal, ob du es furchtbar findest, meine Mutter zu täuschen. Deine Empfindlichkeiten interessieren mich nicht, meine liebe Braut. Für mich zählen ausschließlich der gute Name, die Ehre und die Gefühle meiner Familie. Und unterschätze deine Fähigkeiten, jemanden zu täuschen, nicht. Es sollte dir ein Leichtes sein, meine Tanten und Onkel und Cousins und Cousinen hinters Licht zu führen, wenn du es sogar bei mir beinahe geschafft hättest.“
Bei der Verlobungsfeier, die die baronessa ausrichtete, wurde Carol schnell klar, dass der Rest der Familie nicht überzeugt werden musste. Alle schienen ihr und Nicolas abzunehmen, dass sie ein glücklich verliebtes Paar waren.
Carol trug ein Kleid in Blau- und Grüntönen, die ihre Augenfarbe hervorhoben. Sie hatte das Design des Stoffs selber entworfen. Als Nicolas mit ihr durch die beiden großen Salons ging, um allenthalben Hände zu schütteln und Gratulationen entgegenzunehmen, folgte ihr ein allgemeines anerkennendes Murmeln.
„Ich kann verstehen, warum Nicolas so von Ihnen angetan ist, meine Liebe“, sagte die freimütigste seiner Tanten zu ihr. „Sie sehen einfach bezaubernd aus.“ Die schmale, lebhafte alte Dame lächelte Carol an. „Und da wir nun bald Verwandte sein werden, können wir einander ebenso gut duzen.“ Ein neugieriger Ausdruck trat in ihre Augen, und sie fragte: „Hast du Nicolas wirklich erst vor Kurzem kennengelernt?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Ach, wie sehr mich das daran erinnert … Aber lass uns nicht von der Vergangenheit sprechen. Solche stürmischen Romanzen gab es damals nicht, weißt du. Alles wurde arrangiert. Die Eltern der Brautleute setzten sich zusammen.
Dann gab es endlose Verhandlungen über den Ehevertrag und so
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