Schauen sie sich mal diese Sauerei an
wenigstens in Schrittgeschwindigkeit voranzukommen. Der Erfolg war mittelmäßig, von Zeit zu Zeit war es nötig, das Martinshorn erklingen zu lassen. Die Pappnasen, die sich in unmittelbarer Nähe zu unserem Rettungswagen befanden, zuckten dann erschrocken zusammen, um sofort in lautes Fluchen und wilde Drohgebärden zu verfallen. »Ja, ja, schau sie dir an! Aber wehe, die liegen selber da, dann kann es nicht schnell genug gehen. Undank ist der Welten Lohn!«, hielt Leo verbal dagegen. Nach einer gefühlten Ewigkeit - eigentlich waren es nur vier Minuten - hatten wir unser Ziel erreicht. Marktplatz vor Hausnummer sieben. Das dort befindliche Wohn- und Geschäftshaus beheimatet im Erdgeschoss einen stadtbekannten Dönergrill, der heute mein gesamtes Jahresgehalt als Tageseinnahme verbuchen durfte. Vor dem Laden lungerte ein Dutzend Narren, die alle ihre alkoholinduzierte Unterzuckerung mit fettig triefenden Grillerzeugnissen behandelten. Unsere Ankunft wurde gebührend gefeiert. »Geile Kostüme!«, meinte ein Etwas, das aussah wie ein Ork aus Herr der Ringe . »Eh, seid ihr echt? Dann müsst ihr meinem Kumpel mal den Magen auspumpen, der muss noch weiter saufen, aber da passt nix mehr rein!«, lallte lachend ein Bauarbeiter mit viel zu kleinem Helm auf dem Kopf. Leo wurde derweil von mehreren Feen und Hexen umlagert. Hier war alles vertreten, von der laufenden Gießkanne über den Commander von Raumschiff Enterprise bis hin zu einer Gruppe besoffener römischer Legionäre, die sich gegenseitig mit Joghurtsauce bemalten. Das Einzige, was fehlte, war ein echter Patient. Sicher, einen guten Teil der Umstehenden hätte man guten Gewissens ins Krankenhaus verfrachten können, aber wir suchten schließlich jemanden, der gerade einen Finger, einen Arm oder sogar ein Bein verloren hatte. Um mehr Informationen zu erhalten, hatte sich Leo inzwischen ins Innere des Dönergrills vorgekämpft, wo ihn eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse umschallte. Zwischen Bestellungen, Anweisungen für die Küche und lokal geprägter Unterhaltungsmusik war das eigene Wort kaum zu verstehen. »Hat sich bei Ihnen jemand verletzt?«, brüllte Leo in Richtung des Grillmeisters. Der Mann, dem beim Schneiden des Fleisches der Schweiß über die Nase auf den Grill tropfte, schüttelte wortlos den Kopf. »War jemand hier mit einer frischen Extremitätenamputation?«, spezifizierte Leo lauthals seine Fragestellung. Diesmal bekam er auch eine Antwort: »Was willst du von mir, du Bürstenbinder? Hier ist alles frisch! Alles picobello, kein Gammelfleisch, keine Geschmacksverstärker. Wenn du was essen willst - schön. Ansonsten: Frische Luft gibt es draußen!« Genau dort hatte auch ich in der Zwischenzeit versucht, mehr über unseren vermeintlichen Patienten zu erfahren. Augenscheinlich gab es hier kein Opfer, eine Aufklärung des Einsatzstellenumfelds war erforderlich. Eine hübsche Blondine in einem knappen Matrosenkostüm schien mir halbwegs zurechnungsfähig. Sie hatte mich seit unserer Ankunft intensiv beobachtet. Ich dachte mir: Warum das Nützliche nicht mit dem Angenehmen verbinden?! »Hallo, schöner Retter«, begrüßte mich die Seemannsbraut mit hauchender Stimme, noch bevor ich ein Wort hätte sagen können. »Haben Sie hier einen Verletzten bemerkt?«, fragte ich völlig spröde und ärgerte mich schon über meine uncharmante Art. »Nur mich mit gebrochenem Herzen, wenn du mich gleich wieder verlässt«, säuselte sie mir ins Ohr, während sie aufstand und ihr linker Arm zärtlich meine Hüfte umfasste. Ihr Atem roch, obwohl leicht nach Schnaps, nicht unangenehm. »Mal im Ernst, ist dir jemand aufgefallen, der stark geblutet hat?«, fragte ich, ihren schmachtenden Blick erwidernd. »Für nen Kuss sag ich alles, was ich weiß!« Sie zog einen verführerischen Schmollmund. Sofort hatte ich Engelchen und Teufelchen auf meinen Schultern sitzen. Der Engel: »Du bist im Dienst, beherrsch dich!« Der Teufel: »Es ist doch quasi für Ehr und Vaterland, wie willst du sonst an lebensrettende Informationen kommen?« Langes Denken, kurzer Sinn. Ihre Lippen waren warm, weich und lecker. Als ihre Hand begann, meinen Hintern zu untersuchen, unterbrach ich sanft: »Davon war aber eben nicht die Rede!« »Mit dir würde ich gerne das Deck schrubben!«, entgegnete sie lasziv. »Vielleicht später, sag mir erst mal, was du über den Verletzten weißt, sonst muss ich dich am Ende noch kielholen«, vertröstete ich. »Ja, kielholen!«, hauchte sie mir
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