Schauen sie sich mal diese Sauerei an
künstlich angelegten Kanals inmitten der Stadt. Hein und ich liefen durch dünne Dunstschwaden auf einen jungen Mann zu. Kurz bevor wir ihn erreichten, fiel er auf die Knie. Seine Hände umfassten seine Kehle, als auch der Oberkörper leblos in sich zusammensackte. Hein erreichte unseren Patienten als Erster, sofort überprüfte er den Mundraum auf Fremdkörper und anschließend die Qualität der Vitalfunktionen. Die Resultate waren nicht zufriedenstellend. Ohne den Hauch von Bewusstsein, mit stark eingeschränkter Atmung und rasendem Puls lag der junger Mann in Heins Armen. Schnell drehten wir unseren Patienten auf den Rücken und überstreckten den Kopf, um die Atemwege zu sichern. Ein merkwürdiges Geräusch war während der Einatmung zu hören, dann setzte die Atmung ganz aus. »Jetzt aber zackig! Gib mir den Beatmungsbeutel und dann alarmiere den Notarzt!« Ich tat, wie mir geheißen. Als ich nach circa zwei Minuten zum Ort des Geschehens zurückkehrte, verzog Hein merkwürdig das Gesicht. »Was ist los?«, fragte ich unsicher. »Ich kriege kaum Luft in den Kerl, irgendwas blockiert anscheinend die Atemwege. Aber das ist noch nicht alles. Hast du so was schon mal gesehen?« Mit diesen Worten unterbrach Hein für einen Moment die Beatmung, zog die Oberlippe des Patienten hoch und entblößte zwei messerspitze Eckzähne. »Heilige Scheiße, der Kerl hat die ersten Sonnenstrahlen nicht verkraftet! Der zerfällt uns gleich zu Staub!«, entfuhr es mir. »Lass den Blödsinn und hilf mir lieber!«, schnauzte Hein zurück, der immer noch Probleme mit der Beatmung hatte. Während ich begann, weitere Maßnahmen vorzubereiten, betrachtete ich den Patienten nun intensiver. Auf dem taufeuchten Gras lag eine ganz in Schwarz gekleidete Person. Schwere Stiefel, die mit silbernen Kappen besetzt waren, wurden von einer an den Seiten geschnürten Lederhose überragt. Der Oberkörper steckte in einem schwarzen Rüschenhemd, das an den Talar eines Priesters erinnerte, und darüber trug unser Patient einen dünnen Ledermantel, der mit Totenkopfknöpfen besetzt war. Fast konnte man meinen, das Gesicht sei leichenblass geschminkt, aber aufgrund des Zustands unseres Patienten konnte dieser Eindruck auch täuschen. Glatte lange Haare, die ebenfalls schwarz gefärbt waren, umrahmten das Gesicht, und glänzende Ketten mit mystischen Anhängern zierten seine Brust. Das Highlight des optischen Eindrucks waren jedoch die spitz zulaufenden Koteletten, die wie Richtungspfeile auf die angespitzten Zähne zeigten. Trotz der dramatischen Situation konnte ich mir einen sarkastischen Kommentar nicht verkneifen: »Haben wir genug Silberkugeln dabei? Knoblauch? Oder wenigstens einen Holzpflock, den wir in sein verderbtes Herz rammen können? Nur für den Fall der Fälle ...« »Wenn wir nicht bald vernünftig Luft in den Kerl kriegen, ist der hinüber. Heb dir deinen schwarzen Humor gefälligst für später auf!«, wies Hein mich nochmals berechtigterweise zurecht. Kurz darauf trat unser Notarzt durch den morgendlichen Dunst. Nach Erklärung der Gesamtsituation und einer kurzen Untersuchung entschied Dr. Eiden: »Wenn das mit der Beatmung nicht klappt, müssen wir halt hier vor Ort intubieren.« Dazu muss ich sagen, dass eine Intubation keine kleine Nummer ist. Hierbei wird ein Plastikschlauch direkt in die Luftröhre eingeführt, um die Beatmung sicherzustellen. Damit dies aber problemlos möglich ist, muss vorher mit einem speziellen Spatel, der eine kleine Lampe beinhaltet, für ausreichende Sicht im unteren Rachenraum gesorgt werden. Man arbeitet sich dann bis zum Kehlkopf vor, um den Plastikschlauch schlussendlich zwischen den Stimmritzen hindurch in der Luftröhre zu positionieren. Jeder, der schon einmal eine aufwendigere Operation über sich hat ergehen lassen, hat diese Prozedur am eigenen Leib erlebt, selbstverständlich in Narkose und unter sauberen klinischen Bedingungen. Unser kleiner Dracula hatte sich aber für die Outdoor-Variante entschieden, und so begann Dr. Eiden mit dem bereits vorbereiteten Material sein lebensrettendes Werk. »So, jetzt wird es mal kurz hell im Hals!«, flachste der Notarzt noch, als er sich hinter den Kopf des Patienten kniete. Mit der linken Hand den Spatel justierend und den Blick tief im Rachenraum versunken, versuchte er nun, sich der Zunge des Patienten zu erwehren, die immer wieder ins Blickfeld rutschte und damit die Sicht auf den Kehlkopf versperrte. »Verfluchter Mist, hier sieht nichts so aus, wie
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