Schauen sie sich mal diese Sauerei an
man es erwarten würde!« Die Sekunden vergingen, man hat für diese Maßnahme nicht ewig Zeit, denn währenddessen kann natürlich nicht beatmet werden. »Was ist das für ein Zombie? Erst die Zähne, schon unheimlich genug, und dann diese Verwachsungen hier!« Dr. Eiden fluchte vor sich hin. »Sieht aus wie wucherndes Gewebe, ein Tumor oder so was, heilige Scheiße! Gib mir mal die Magillzange!« Hein reichte ihm das gewünschte Instrument, eine dünne gebogene Zange, mit der man bis zum Kehlkopf Vordringen kann. Mit der linken Hand immer noch den Spatel haltend, führte Dr. Eiden nun die Zange mit der rechten Hand in unseren Patienten ein. Wir hielten inne und beobachteten, was geschah. »Grundgütiger - was ist das denn? Heiliger Vater, ich schwöre, dass ich so etwas noch nie gesehen habe!«, sprach der Arzt ergriffen, als er die Zange ganz langsam aus dem Patienten zog. Es wurde noch zweimal nachgefasst, aber dann verließ ein rohes Steak den Hals unseres Patienten. »Das waren keine Verwachsungen, das war rohes Fleisch, das Zeug war halb in der Luftröhre und halb im Kehlkopf. Rohes Fleisch, der Kerl hat doch zu heiß gebadet, rohes Fleisch ...«, stammelte der Notarzt. Mit Entfernen des Fremdkörpers setzte zügig die Eigenatmung des Patienten wieder ein. Die medizinische Situation entspannte sich, aber das Staunen über unseren Patienten wuchs. »Ich mag es ja auch gern englisch, aber am Stück und völlig roh?«, fragte Hein angewidert. »Schau dir den Kerl mal an! Der hat seine Pfanne nicht vergessen!«, resümierte Dr. Eiden. »Der wollte seine Zähne in rohes, noch blutiges Fleisch rammen, irgendein Vampirhokuspokus, was weiß ich, was in dem Kopf vorgeht. Ladet Graf Dracula in den Rettungswagen und dann ab ins Krankenhaus, bevor der Kerl wieder zu Bewusstsein kommt.« Im Krankenhaus wurde unserer Version der Ereignisse zunächst kein Glauben geschenkt, irgendwie verständlich. Erst als Hein das Corpus Delicti in einer Pappschale in die Ambulanz trug, wurden die Augen größer und die Gesichter länger. Der Patient wurde nach gründlicher Untersuchung ohne weiteren Befund zur Beobachtung beziehungsweise bis zum Wiedererlangen seines Bewusstseins auf die Intensivstation gebracht. Wir fuhren zurück zur Wache und machten erst mal Frühstückspause. Der Zufall wollte es, dass Hein und ich am Nachmittag desselben Tages erneut unserem Patienten über den Weg liefen. Wir schlenderten durch die Ambulanzräume des Krankenhauses, um fehlende Formulare zu besorgen, als der morgendliche Vampir in einem Bett an uns vorübergerollt wurde. Hein konnte sich seine Frage nicht verkneifen: »Entschuldigung, Sie werden sich kaum erinnern, aber wir haben Ihnen heute morgen ein rohes Steak aus dem Hals gezogen. Das war ganz schön dramatisch! Wie konnte das bloß passieren, dass dieses riesige Stück Fleisch in Ihrem Hals gelandet ist?« Über die Antwort denke ich bisweilen heute noch nach. Mit durchdringenden Augen und einer gewissen Überheblichkeit in der Stimme antwortete das Vampirimitat: »Die einen so, die anderen so, und ich fresse es halt roh!«
13. Frau Hansen hat ihren eigenen Kopf
Ein rheinisches Mädchen
Eine Frau mit weißen Haaren ist wie ein Haus, auf dem Schnee liegt. Das beweist aber noch nicht, dass im Herd kein Feuer brennt. Maurice Chevalier
E s war Sonntag, 9:30 Uhr, Zeit für die Frühstückspause. Eigentlich nichts Besonderes, aber an jenem Tag erwartete uns ein besonderes Highlight: Unsere Wache hatte einen neuen Brandschutzpraktikanten zur Ausbildung zugeteilt bekommen. Um sich lieb Kind zu machen, ist es gute Tradition, dass die Auszubildenden in ihrer ersten Schicht das Frühstück organisieren. Bei gewissen Mindestansprüchen wie Rührei, Speck, gebratenen Würstchen, Mett mit Zwiebeln, Lachs, Fleischsalat und natürlich Aufschnitt und Käse ist das Ganze bei 14 Kollegen im Dienst kein billiger Spaß. Aus dem Frühstück wird meist ein gemütlicher Brunch, der sich bis weit in die Mittagszeit hinziehen und beim anschließenden Dienstsport für eine gewisse Trägheit sorgen kann. Frau Hansen, um die es in dieser Geschichte geht, hatte hingegen einen wesentlich weniger angenehmen Start in den Tag. Gegen 9:20 Uhr verspürte sie Schmerzen in der Brust und zögerte nach kurzer Rücksprache mit dem Notdienst nicht, den Rettungsdienst zu alarmieren. Man entwickelt im Laufe der Zeit ein Bauchgefühl für Einsätze und Patienten, und hier schrie mein Bauch. Dieses Spiel würde bestimmt in die
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