Schauen sie sich mal diese Sauerei an
Geschichte ist schnell erzählt. Unter dem Vorwand, wir würden einen Ort kennen, in dem die Kühe noch besseren Stoff scheißen, luden wir The Frog zu einem Ausflug ein. Seine Begeisterung kannte keine Grenzen, unter dem Schlachtruf »Gib mir fünf!« waren Hein und ich gezwungen, in die eben noch mit Kuhscheiße beschmierte Hand einzuschlagen. Hein ging zum Rettungswagen vor, um per Funk unauffällig den Transport in eine dreißig Kilometer entfernte Suchtklinik zu organisieren. Während der Fahrt lernte ich viel über Naturdrogen. »Wussten Sie, dass die Nützlichkeit der Hanfpflanze absichtlich durch Lobbyisten wider besseres Wissen abgestritten wurde? Wussten Sie, dass man bestimmte Naturdrogen als Basis für moderne Narkosemedikamente verwendet?« Solche und andere Weisheiten musste ich mir über eine halbe Stunde lang anhören. Ob richtig oder falsch, beim Erreichen unseres Ziels war ich geringfügig genervt. Die Übergabe des Patienten gestaltete sich nach Erläuterung aller Einzelheiten unproblematisch. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Gerade Psychiater diskutieren gern, ob sie zuständig sind und ob eine Unterbringung in der Psychiatrie wirklich notwendig ist. In diesem Fall war alles in Ordnung, der Einsatz war erfolgreich abgeschlossen, der Zustand des Patienten hatte sich nicht verschlechtert, und der Patient war einer geeigneten Versorgung zugeführt worden. Zwei Monate später: Hein und ich saßen in einem Seminar, um unserer jährlichen Fortbildungspflicht Genüge zu tun. Thema: »Trends in der Drogenszene«. Der Dozent berichtete den halben Tag über diverse chemische Derivate des Opiums, um am Schluss der Vorlesung noch einen »neuen Exoten« zu beleuchten. »Sie werden es nicht glauben, meine Herren, aber frischer Kuhmist erfreut sich neuerdings großer Beliebtheit in der Naturdrogenszene!« Ein ausführlicher Vortrag zu diesem Thema, gespickt mit vielen theoretischen Fakten, begann, aber Hein und ich schauten uns nur verzweifelt an. Hein kommentierte trocken: »Es gibt nichts, was es nicht gibt.«
12. Die Schnauze voll
Englisch für Fortgeschrittene
Wie lächerlich und weltfremd ist der, der sich über irgendetwas wundert, das im Leben vorkommt. Mark Aurel
D a der Mensch sich selbst selten genug ist, versuchen viele Individuen, als etwas Besonderes zu erscheinen. In der Tat hat der Drang, sich selbst zu verschönern, historische Wurzeln, die ubiquitär verbreitet sind. Seien es die Körperbemalungen irgendwelcher Urvölker oder die Verzierung des eigenen Antlitzes mit Knochen, Ringen oder Ähnlichem. In der heutigen Zeit ist das Angebot an Möglichkeiten, sich selbst aufzumotzen, natürlich ungleich größer als jemals zuvor. Es fängt harmlos an: Das Ankleben von aufwendig designten Plastikschäufelchen an die Fingernägel oder das Färben und Verlängern der Haare werden als völlig normal empfunden. Auch die Segnungen der modernen plastischen Chirurgie werden weitgehend akzeptiert. Tattoos gehören schon zum guten Ton, auch wenn manche Rose besser im Verborgenen geblüht hätte und mancher Delfin besser nie wieder zum Atmen an die Oberfläche gekommen wäre. Wenn man keine Narben hat, ist man sowieso langweilig, und jeder noch so ausgefallene Kleidungsstil wird als Mittel des persönlichen Ausdrucks definiert. Wenn man wie Hein und ich im Rettungsdienst tätig ist, wundert man sich irgendwann nur noch über wenige Dinge. Ein tätowierter pokerspielender Säugling auf dem Bauch einer werdenden Mutter hätte vor zehn Jahren noch Aufsehen erregt, heute lächelt man nur noch müde. Piercings möchte ich gar nicht näher erwähnen, und auch andere Kunststoff- und Metallimplantate finden mittlerweile immer weitere Verbreitung. Wenn man heute etwas Besonderes mit sich anstellen will, dann muss es schon ein Brandzeichen oder ein dauerhaft am Geschlechtsteil angebrachtes Gewicht sein. Unser Patient hatte eine weitere Spielart der Persönlichkeitsgestaltung erwählt. Er hatte sich offenbar entschieden, ein Vampir zu sein. Zu diesem Zweck hatte er die oberen Eckzähne (oben links 13 und oben rechts 23) spitz abfeilen lassen. Nein, es war kein Plastikgebiss, nein, es war keine Variante der Natur, hier hatte deutlich erkennbar ein wahnsinniger Dentist seine Finger im Spiel gehabt. Aber lassen Sie mich chronologisch berichten. Bei unserer Ankunft stand unser Patient noch auf seinen eigenen Beinen, allerdings nur für wenige Sekunden. Es war ein sonniger Morgen im frühen Juni, am Ufer eines
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