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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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außerordentlich seltsam vor, daß der Harem vollkommen unbewohnt zu sein schien. Scheherazade fragte ihren Führer, ob dieser Eindruck gerechtfertigt sei. Woraufhin der ältere Diener, der ihnen den Weg wies, weise nickte und antwortete: »Früher einmal, da konnte sich dieser Ort Tausender von Dienern für die zahllosen Frauen und Konkubinen des Königs rühmen. Doch ach, als all das grauenhafte Köpfen begann, da erfuhr die Bevölkerungsdichte dieser Gemächer, wenn ich einmal so sagen darf, unter den Frauen und Konkubinen einen merklichen Schwund. Und danach erschien es wenig sinnvoll, sich weiterhin einen solch großen Stab an Personal zu halten, da ja kaum noch jemand da war, dem er dienen konnte.« Der Alte hüstelte ein wenig gekünstelt. »Außerdem zeigten einige der unterbeschäftigten Diener die Neigung, still und heimlich zu verschwinden, als ob sie befürchteten, das Schicksal ihrer Herrinnen könnte auch sie ereilen!« Woraufhin der ältere Diener in schallendes Gelächter ausbrach, sich gleichzeitig aber auch den Nacken massierte, als wolle er sichergehen, daß alle seine Körperteile noch an ihrem angestammten Platz waren.
    »Doch so unterbevölkert, wenn ich einmal so sagen darf, diese Gemächer auch sein mögen«, fügte er schnell hinzu, »so sind sie doch nicht ganz verlassen. Omar! Wo steckst du, du Schuft?«
    »Immer zu Diensten«, ertönte eine glockenhelle Stimme unmittelbar hinter ihnen. Scheherazade und ihre Schwester fuhren herum und entdeckten einen Mann von enormer Größe und ebenso enormem Körperumfang, der sich hinter ihnen aufgebaut hatte und auf sie hinabstarrte. Ein Wulst bräunlichen Fleisches türmte sich über den anderen, Schicht um Schicht glänzenden Fettes. Er war nackt bis auf ein winziges dezentes Lendentuch aus goldenem Stoff, das seine Geschlechtsteile verbarg – beziehungsweise das, was noch davon übrig war. Außerdem umspannte eine Anzahl goldener Reifen seine Arme, seinen Hals, und von seinen Ohren hingen gewaltige Ringe.
    Der ältere Diener drehte sich ein wenig gemächlicher als die beiden Frauen um. »Ah«, meinte er herzlich. »Schön von dir, so dienstbeflissen zu sein. Diese beiden jungen Frauen suchen nach einer geeigneten Unterkunft.«
    »Wirklich?« erwiderte der riesige Mann im schönsten Sopran. »Du ahnst ja gar nicht, wie lange es her ist, daß ich diese Worte zum letzten Mal vernommen habe!« Er lachte vergnügt. »Und sag, wer mögen diese Frauen sein, damit ich auch tatsächlich für eine angemessene Unterbringung sorgen kann?«
    Der alte Diener stellte zuerst Scheherazade vor.
    »Die neue Königin?« rief Omar voller Verwunderung aus. »Ich habe immer gewußt, daß eines Tages jemand die erste Nacht überleben würde! Ah, ich werde Euch in unser allerbestes Gemach führen.« Er klatschte vor Begeisterung in die Hände. Es war erstaunlich, aber seine ungeheuer schwammigen Handflächen verursachten kaum ein Geräusch, als sie aufeinandertrafen. »Und glaubt mir, solange Ihr Euch in diesem Harem aufhalten werdet, dürft Ihr frei über alle seine Annehmlichkeiten verfügen. Wir werden einfach alles wieder aufräumen und sauber machen, sobald Ihr tot seid.« Er kicherte leise. »Das erinnert mich an ein Gedicht:
     
    Einst strahlte hier das hehre Licht der Sonne,
    Gelächter gab's und Blumen, welche Wonne.
    Doch bald schon zogen dunkle Wolken auf,
    Das Lachen starb, die Blumen gingen drauf.
     
    Oha! dachte Scheherazade. Das war ein wirklich düsteres Gedicht, doch auch ein ergreifendes. »Zweite Strophe!« verkündete Omar:
     
    Vor Leben sprühte hier sogar die Luft,
    In jedem Zimmer hing ein süßer Duft.
    Doch dann floß Blut, das Blut so mancher Frau,
    Und vom Gestank wird einem nun ganz flau.
     
    »Sehr schön«, meinte Scheherazade, »ein ganz ausgezeichnetes Gedicht. Wenn wir jetzt vielleicht...«
    »Die dritte Strophe wird noch viel dramatischer!« flötete Omar und begann von neuem zu reimen:
     
    Gestank und Blut und Leid und Tod,
    Das ist es, was euch Frau'n hier droht.
    Drum gebe ich den Rat euch gern,
    haltet euch vom Harem fern!
     
    »Und so endet mein bescheidener Vortrag.« Omar verbeugte sich leicht und lächelte. »Manchmal glaube ich, daß es die Dinge für uns alle klarer macht, wenn ich etwas mit Reimen ausdrücke.«
    Der alte Diener, der dem Gedicht überhaupt keine Beachtung geschenkt zu haben schien, stellte als nächstes Dunyazad vor.
    »Eine Verwandte?« meinte Omar mit ersichtlich geringerer Begeisterung. »Nun, irgendwo

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