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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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und eine Tasche voller getrockneter Früchte die Zeit miteinander verbringen, aß er eine nach der anderen auf, wobei er sich zwischen Kauen und angestrengtem Philosophieren über den Sinn des Lebens den Spaß machte, die Kerne in die große Schlucht hineinzuwerfen.
    Doch ach, das sollte sich bald als fataler Fehler erweisen. Denn nachdem er drei Kerne in die Schlucht geworfen hatte, hörte er vom Boden derselben ein tiefes Grollen aufsteigen, das sich bald zu einem lauten Brüllen auswuchs und sich rasch jenem Punkt näherte, an dem der Händler saß. Und wer tauchte aus den Tiefen der unergründlichen Schlucht auf? Ihr werdet es kaum erraten: Es war ein mächtiger Dschinn von gar furchterregender Erscheinung...
     
    AN DIESER STELLE UNTERBRICHT SCHEHERAZADE IHRE GESCHICHTE IN EINER GESCHICHTE
     
    Ich hielt in meiner Erzählung inne, um folgendes zu erwähnen:
    »...obwohl ich aus sicherer Quelle weiß, daß jener Dschinn bei weitem nicht so mächtig und höchstens halb so furchterregend war wie unser Ozzie.«
    »GUT GESPROCHEN«, meinte der Kopf dieses großen grünen Dschinns von seinem Platz aus, von dem er die drei Geschichtenerzähler und ihre Zuhörer gut im Auge hatte. »MIR SCHEINT, DU KENNST DICH IN DIESEN DINGEN AUS?«
    »Wenn ich so unbescheiden sein darf, dann gestehe ich, daß ich das in der Tat bin, o großer Dschinn«, lautete meine demütige Antwort. »Eine Geschichtenerzählerin, die in ihrer Kunst überzeugend sein will, muß sich in sehr vielen Dingen auskennen.«
    Ozzie nickte zustimmend. »BIS JETZT HAST DU DICH TATSÄCHLICH ALS ERZÄHLERIN SINDBAD UND ALI BABA GEGENÜBER ALS EBENBÜRTIG ERWIESEN, ZUMINDEST WAS EINE SPANNENDE EINLEITUNG ANGEHT. DAHER HABE ICH BESCHLOSSEN, VORERST NOCH NIEMANDEN VON EUCH AUF EINE SCHRECKLICHE, VIELLEICHT SOGAR UNBESCHREIBLICHE ART UND WEISE UMZUBRINGEN – VORERST, WIE GESAGT. ICH BITTE DICH, FAHRE FORT.«
     
    DIE GESCHICHTE
    VON DEM HÄNDLER UND DEM DSCHINN
    (Fortsetzung)
     
    »Ihr seid überaus gnädig«, schmeichelte ich ihm, bevor ich den Faden meiner Geschichte wieder aufgriff. »Also, dieser furchterregende Dschinn deutete auf den Händler und sagte: ›Steh auf, damit ich dich töten kann, wie du meinen Sohn getötet hast!‹
    Der Händler begann ob dieser Anklage zu zittern und wußte nicht, was er darauf antworten sollte.
    ›Mein Junge war gerade dabei, seinen Zauberteppich zu frisieren‹, fuhr der Dschinn in seiner Klage fort. ›Du weißt ja, wie die Jugend ist. Nie kann etwas schnell genug sein. Und genau in dem Moment, als er nach oben blickte, fiel einer deiner Dattelkerne auf ihn herab und traf ihn an... nun, an jener empfindlichen Stelle eben, die jeder Dschinn hat und die ich dir gegenüber bestimmt nicht erwähnt hätte, wenn ich dir nicht bald schon den Garaus machen würde.‹
    Angesichts dieser neuerlichen Ankündigung seines kurz bevorstehenden Todes meldete sich jedoch endlich des Händlers Verstand wieder zurück, und sobald er die Sprache wiedergefunden hatte, wandte er sich mit folgenden Worten an den Dschinn: ›Das ist eine wirklich tragische Sache. Doch erlaubt mir, einen letzten Wunsch zu äußern.‹
    ›Einen Wunsch?‹ erwiderte der Dschinn mit einer Stimme, die sein Unbehagen verriet.
    ›Nun, es mag ohne Zweifel zutreffen, daß ich für den Tod Eures Sohnes verantwortlich bin‹, erklärte der Händler rasch, ›doch ich gebe zu bedenken, daß ich es nicht wissentlich getan habe. Hört, ich bin ein Mann mit Ehre und komme stets meinen Pflichten nach und bezahle meine Schulden. Und wenn ich ruhigen Gewissens in den Tod gehen will, so muß ich vorher unbedingt noch ein paar Angelegenheiten regeln – geschäftliche wie persönliche. Daher bitte ich Euch um eine Woche Aufschub, in der ich meinen Nachlaß regeln will. Wenn diese Zeitspanne verstrichen ist, werden wir uns hier an dieser Stelle wiedertreffen, und dann könnt Ihr mit mir verfahren, wie es Euch beliebt.‹
    Der Dschinn dachte gründlich über diese Bitte nach. Der Händler sprach ganz offensichtlich mit großer Aufrichtigkeit, und auch wenn dieser Sterbliche für den Tod seines Sohnes verantwortlich war, so lag dem Dschinn doch nichts daran, vor aller Welt als eine vernünftigen Argumenten unzugängliche Wesenheit dazustehen. Also gewährte er dem Händler eine Woche, in der er all seine Angelegenheiten regeln sollte. Doch mußte der Händler schwören, nach Ablauf dieser Woche zurückzukehren, damit der Dschinn seine fürchterliche Rache an ihm üben

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