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Scheherazade macht Geschichten

Titel: Scheherazade macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Shaw Gardner
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versuchte auf diese Antwort Scheherazades hin zu lächeln. »Wie immer, o Schwester, sprichst du mit weiser Zunge. Obwohl überall in unserer Umgebung Gefahren zu lauern scheinen, bin ich froh, in deiner Nähe zu sein.«
    »Das bin ich auch, liebe Schwester«, stimmte Scheherazade ihr zu. »Doch jetzt denke ich, daß es wirklich besser ist, wenn wir uns schlafen legen, damit wir, wenn es darauf ankommt, all unsere Sinne beisammen haben.«
    Dunyazad ließ sich allerdings nicht so leicht beruhigen. »Du denkst tatsächlich an Schlaf? Nach dem, was Omar uns erzählt hat?«
    Die Sorge ihrer Schwester entlockte Scheherazade ein sanftes Lächeln. »Ich bezweifle, daß sich jemand die Mühe machen wird, mich im Verlaufe des heutigen Tages umzubringen, wenn doch alles dafür zu sprechen scheint, daß ich heute abend durch die Hand des Königs sterben werde. Und wenn ich erst einmal nicht mehr da bin, wirst du bestimmt die nächste sein, an der der König sein Interesse anmeldet.«
    Das könnte Dunyazad jedoch nur wenig trösten. »Wahrlich, dies scheint mir kein Grund, mich zu beruhigen.«
    Daraufhin meinte Scheherazade: »Was die Menschen planen, und was das Schicksal geschehen läßt, das ist oft nicht dasselbe. Niemand kann sein Schicksal voraussagen. Natürlich wäre man ein Narr, wenn man dem Schicksal nicht ab und zu einen Schubs in die richtige Richtung geben würde.«
    Dies brachte schließlich doch ein Lächeln auf Dunyazads Lippen. »Sagen das die weisen Männer?«
    »Nein«, antwortete Scheherazade und lächelte ebenfalls. »Das sagen die Geschichtenerzähler.«
    So kam es also, daß die beiden Schwestern sich zwei der vielen bequemen Diwane aussuchten, die in diesem ersten Zimmer der Gemächer der Königin standen, und kurz darauf waren sie in einen tiefen, erholsamen Schlaf gefallen, der den ganzen Morgen über andauerte. Nachdem sie zum Mittagsgebet aufgestanden waren, stellte sich ein halbes Dutzend Dienerinnen bei ihnen ein, um nach ihren Wünschen zu fragen. Bald schon badeten Scheherazade und Dunyazad in dem riesigen Badehaus des Harems, und man rieb sie mit wertvollen Ölen und duftendem Parfüm ein und kleidete sie in Gewänder aus feinster Seide, in die unzählige Gold- und Silberfäden eingesponnen waren. Danach trug man den Schwestern ein köstliches Mahl aus Früchten und verschiedenen Fleisch- und Brotsorten auf. Die Dienerinnen bemühten sich, ihre Herrinnen mit den neuesten Palastgerüchten zu unterhalten, was sich allerdings als sehr schwierig erwies, da es solche überhaupt nicht gab, hielten sich zur Zeit doch keinerlei bedeutende Frauen mehr im Harem auf.
    Nun, dachte Scheherazade, dies war gewiß der rechte Zeitpunkt, nach der seltsamen bleichen Frau zu fragen, der sie in den Gemächern der Königin begegnet waren. Also erkundigte sie sich bei den Dienerinnen danach, ob es noch andere Bewohner des Harems gäbe.
    »Da ist natürlich noch des Königs Mutter«, entgegnete eine der Sklavinnen. »Man munkelt, daß sie all diesen Köpfungen gar nicht so abgeneigt gegenübersteht, ja, sie sogar fördert. Noch niemals hat sie eine Frau als gut genug für ihren Sohn befunden. Doch sie ist alt und gebrechlich, und selten verläßt sie ihre Räume.«
    Das hörte sich nicht sehr erfolgversprechend an, dachte Scheherazade. Die Frau, die sie gesehen hatten, war weder alt noch besonders gebrechlich gewesen.
    »Omar hat gemeint, daß es hier vielleicht Gespenster gäbe«, sagte Dunyazad.
    Woraufhin die Sklavinnen einmütig nickten.
    »Wir alle haben schon von Gerüchten über Geister gehört«, stimmte eine der Dienerinnen zu.
    »In jeder Ecke und in jedem Winkel gibt es Schatten, die sich bewegen«, stimmte eine zweite zu.
    »Und in der Nacht hört man des öfteren seltsame Geräusche«, stimmte eine dritte zu.
    »Doch niemand kann sagen, ob es tatsächlich Gespenster sind, die umgehen«, schränkte die erste Dienerin ein, »oder ob es bloß der Wind ist.«
    »Niemand von uns hat jemals selbst so etwas gesehen oder gehört«, schränkte die zweite Dienerin noch ein wenig vorsichtiger ein.
    »Das heißt«, verbesserte die dritte Dienerin, »niemand, der solche Dinge gehört oder gesehen hat, hat danach lange genug gelebt, um davon zu berichten.«
    Scheherazade und Dunyazad fanden all diese Bemerkungen bei weitem nicht so tröstlich, wie sie es sich erhofft hatten.
    »Wenn es nicht die Toten sind, die zurückkehren«, sorgte sich Dunyazad, »wer ist es dann?«
    Scheherazade kam zu dem Schluß, daß jetzt der

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