Scheidung auf Griechisch
verschoben hatten.
Einen Moment war sie versucht, ihm an Ort und Stelle jene Bitte zu erfüllen, die sie noch vor wenigen Stunden entrüstet abgelehnt hatte. Um keinen Verkehrsunfall zu provozieren, versagte sie sich und ihm dieses Vergnügen.
Als er in die Hauptstraße einbog, blendete die tief stehende Sonne sie so sehr, dass Isobel den Arm hob, um die Sonnenblende herunterzuklappen. Ehe sie dazu kam, nahm Leandros ihre Hand. Als er die Innenfläche küsste, hielt sie unwillkürlich den Atem an. Die Berührung seiner Lippen erregte sie mehr, als sie sich eingestehen mochte. Selbst wenn er sie auf seinen Schoß gezogen und in sie eingedrungen wäre, hätte ihr Körper nicht heftiger reagieren können.
Der Zufall wollte es, dass in diesem Moment vor ihnen eine Ampel auf Rot sprang. Noch bevor der Wagen zum Stillstand gekommen war, sah Leandros sie an und betrachtete schweigend ihr Gesicht, ehe er den Blick tiefer gleiten ließ. Unwillkürlich sah Isobel an sich hinab. Das Kleid war zwar nicht sonderlich lang, aber bei weitem nicht so gewagt wie die Miniröcke, die sie vor drei Jahren getragen und für die sie sich manch missbilligenden Blick von ihm eingehandelt hatte.
Jetzt sagten seine Augen etwas völlig anderes, und so hatte es auch gänzlich andere Gründe, dass sie sich wie damals nackt fühlte. “Sieh mich nicht so an”, sagte sie verlegen. Damit er nicht merkte, was sie empfand, presste sie die Beine zusammen.
“Warum nicht?” Sein Tonfall wie sein Gesichtsausdruck machten unmissverständlich klar, dass Leandros genau wusste, wie es um sie stand.
Weil ich für nichts garantieren kann, wenn du nicht damit aufhörst, wollte sie erwidern, als unvermittelt der Motor aufheulte. Die Ampel war auf Grün gesprungen, und Leandros musste sich wieder aufs Fahren konzentrieren.
Zunächst wusste Isobel nicht, ob sie enttäuscht oder erleichtert war. Schließlich beschloss sie, es Leandros nachzutun und stur geradeaus zu sehen. Was leichter gesagt als getan war, wenn sie nur die Hand ausstrecken und ihn zu berühren brauchte, um eine Lawine auszulösen, die nichts und niemand aufhalten könnte.
Nach qualvollen Minuten der Untätigkeit erreichten sie die Vororte, wo die Bebauung weniger dicht und die Straße steiler wurde. Endlich geriet auch der Saronische Golf, der in der Nachmittagssonne funkelte, in ihr Blickfeld.
Je weiter sie den Lykavittos hinauffuhren, desto prächtiger wurden die Gärten, in denen die Villen der Superreichen standen. Auf halber Höhe stand das Haus von Leandros’ Mutter, und vor einer scharfen Kehre lag die Einfahrt zum Anwesen seines Onkels Theron Herakleides. Seit dem Tod seines Sohnes und dessen Frau teilte er die riesige Villa mit seiner Enkelin Eve.
Eve war wohl der einzige Mensch, der sie so akzeptiert hatte, wie sie war – was sicher daran lag, dass sie genauso alt war und britisches Blut in ihren Adern floss, denn ihre Mutter war Engländerin gewesen.
“Eve ist inzwischen verheiratet.” Leandros hatte ihre Gedanken offenbar erneut erraten.
“Das ist nicht dein Ernst”, erwiderte Isobel überrascht. Dass sich Therons ebenso verwöhnte wie eigensinnige Enkelin gebunden haben sollte, schien ihr ziemlich abwegig. “Wer ist denn der bedauernswerte Kerl, der den Wildfang bändigen muss?”
“Ein Engländer namens Ethan Hayes”, teilte Leandros ihr mit. “Theron war über ihre Wahl ganz und gar nicht begeistert, wie du dir sicher vorstellen kannst.”
Das konnte sie, denn Theron hatte mehrfach versucht, seine bildschöne Enkelin mit einem Sprössling der vielen einflussreichen griechischen Familien zu verkuppeln, zu denen er private wie geschäftliche Kontakte unterhielt. Doch Eve hatte sich von jeher mit beeindruckender Hartnäckigkeit geweigert, die Erwartungen zu erfüllen, die an sie gestellt wurden. Insofern war sie ihr nicht nur eine Freundin gewesen, sondern in mancher Hinsicht auch ein Vorbild.
Es konnte kein Zufall sein, dass es ihr ausgerechnet in jenem Moment einfiel, in dem sie in die Auffahrt zu Leandros’ Villa einbogen. Obwohl sie wesentlich kleiner und bescheidener als sein Elternhaus war, konnte sie den Reichtum ihres Besitzers nicht verbergen.
Leandros hatte sie gleich nach der Hochzeit gekauft – und damit seine Mutter Thea vor den Kopf gestoßen. Sie war ein Familienmensch, und dass ihr ältester Sohn auszog, hatte für sie den Bruch mit sämtlichen Traditionen bedeutet, die ihr heilig waren. Die Schuldige hatte sie schnell in ihrer
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