Scheinbar verliebt
ihr das Telefon hin. „Eine Liebesbotschaft für Lucy Wiltshire“, sagte er und ging zurück in die Küche.
Als hätte er ihre Gedanken gelesen, sagte Alex zu ihr: „Ich weiß, dass du noch sauer auf mich bist –“
„Ich bin nicht sauer.“ Sie war eine Million andere Dinge, aber nicht sauer.
„Ich bettle um Hilfe.“ Seine Stimme klang erschöpft, gestresst. „Ich habe Finley jetzt seit drei Tagen hier und verliere bald den Verstand.“
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „So schlimm kann es doch gar nicht sein.“
„Sie hat mich gerade gefragt, ob ich ihr ein Päckchen Tampons mitbringe.“
„Ich glaube, ich habe dafür noch Rabattmarken.“
„Lucy, ich würde alles tun – nenn mir den Preis. Wenn du einen erwachsenen Mann betteln sehen möchtest, gebe ich dir Tickets für die erste Reihe. Aber bitte, bitte , komm her und hilf mir.“
„Kann ich meine Kamera mitbringen und die Fotos an den Meistbietenden verkaufen?“
„Ich ziehe sogar mein Hemd aus.“
„Dann bin ich gleich bei dir.“
* * *
Alex riss die Tür auf, bevor Lucy klopfen konnte.
Er zog sie in eine feste Umarmung und schob sie dann ins Haus. „Geh nicht weg. Was auch immer passiert, geh nicht mehr weg.“
Lucy lachte und genoss das Gefühl, von seiner Stärke umgeben zu sein. Seiner momentan eher verzweifelten Stärke.
Alex trat einen Schritt zurück, seine Hände blieben jedoch auf ihren Schultern. Seine braunen Augen sahen sie an, bis sie das Gefühl hatte, zur Seite blicken zu müssen. „Ich habe dich vermisst.“ Seine Stimme klang völlig ehrlich.
„Ich habe dich auch vermisst.“ Mehr, als sie es gewollt hatte. Denn egal, wie die Wahl ausging, er würde sie verlassen.
Sie erkannte diesen Blick und so war es für sie keine Überraschung, als er sich zu ihr beugte, um sie zu küssen. Seine Lippen legten sich sanft auf ihre und –
„Oh, ehrlich?“
Finley schüttelte den Kopf, als sie mit dem Handy am Ohr durch das Foyer schlenderte.
„Verstehst du, was ich meine?“ Ein Muskel zuckte an Alex’ Wange, als er seine Schwester wie eine unbekannte Kreatur musterte. „So ist sie schon die ganze Woche über.“
„Wie, sie unterbricht dich jedes Mal, wenn du eine deiner Freundinnen küssen willst?“
„Genau.“ Sein Lächeln war kläglich, als er die Haustür schloss. „Wir wollten gerade zu Abend essen. Willst du auch was?“
Sie folgte ihm in die Richtung, in die seine Schwester verschwunden war, während Alex die ganze Zeit vor sich hin murmelte.
Noch in Schachteln verpacktes Essen vom Chinesen standen auf dem Tisch in Alex’ Küche. „Kommen die Warriors vorbei?“ Es war genug Essen da, um eine ganze Kompagnie zu versorgen.
„Finley konnte sich nicht entscheiden. Manches hat zu viel Fett. Anderes zu viele Kalorien. Dann ist ihr eingefallen, dass sie eine Sojasprossenallergie hat und jetzt können wir sowieso alles wegschmeißen.“
Finley schüttete sich ein Glas Cola ein und setzte sich auf einen Barhocker. „Letzte Woche ist mir nach dem Essen schlecht geworden. Da kann das mit der Allergie doch sein. Und was tut Alex?“ Finley wandte sich verständnisheischend an Lucy. „Er bestellt kantonesisches Huhn mit –“
„Mit Sojasprossen – ja, wir haben es verstanden. Ich bin wirklich der gedankenloseste Bruder der Welt.“
„So weit würde ich nicht gehen“, sagte Finley. „Aber ich glaube nicht, dass Mom und Dad mich noch mal hier wohnen lassen.“
„Da kommen mir die Tränen.“ Alex sah aus, als wäre er in die Höhle eines Löwen geraten und nur knapp mit dem Leben davongekommen. „Siehst du, Lucy, mit was ich mich hier herumschlagen muss?“
Lächelnd setzte Lucy sich zu Finley an die Bar. „Was haben wir denn hier?“ Sie hob einen Zettel mit Informationen hoch, auf dem stand, was Alex die Woche über mit Finley machen sollte.
„Meine Gefängnisregeln.“
Alex setzte sich neben Lucy und rutschte so lange hin und her, bis ihre Beine sich berührten. „Anweisungen zur Haltung und Pflege tyrannischer Schwestern.“
„Als wärst du überhaupt hier gewesen und hättest mich bemerkt.“
„Ich habe schon gesagt, dass es mir leidtut, dass ich so viel arbeiten muss.“
Lucy las von der Liste vor. „Die Hausaufgaben müssen bis neunzehn Uhr erledigt sein.“
„Hausaufgaben in den Ferien“, seufzte Finley. „Grauenvoll.“
„Darf nicht nach der Sperrstunde noch draußen sein.“
„Als hätte er mich überhaupt aus dem Haus gelassen.“
Regel Nummer drei
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