Scheinbar verliebt
den Gefühlen anfangen sollte, die auf seinem Gesicht standen. Mit Sarkasmus hätte sie umgehen können, aber mit diesem sorgenvollen Blick? Und dieser Freundschaft, die sich langsam zwischen ihnen entwickelte? Furchteinflößend! „Sie hat ein paar Mal angerufen. Aber ich habe nicht abgenommen. Ich werde mir von irgendjemand anderem Tipps holen.“
„Ich meinte wegen der Sache mit deinem Vater.“
„Darüber kann ich jetzt beim besten Willen nicht nachdenken.“ Lucy beobachtete, wie Chuck seinen Platz einnahm. „Aber komischerweise bin ich froh, dass du da bist. Ich hoffe nur, dass wir gleich nicht vom Blitz erschlagen werden oder sowas.“
„Nur zu deiner Information. Ich bin in einer Kirche groß geworden. Ab der fünften Klasse bin ich in die Bibelstunde gegangen.“
Endlich konnte sie lächeln. „Wirklich?“
Er nickte. „Ich habe sogar eine Urkunde und all das bekommen.“
„Ich bin beeindruckt.“
„Leider wurde ich erwischt, als ich Emily Fletcher hinter einem Baum geküsst habe und die Auszeichnung wurde mir wieder abgenommen.“
„Du Armer.“
Alex zog an einer ihrer Locken. „Alles für mein Mädchen.“
Sie musste sich von der Wärme in diesen millionenschweren Augen abwenden. Der Kerl ging ihr langsam unter die Haut.
Der gestrige Tag hatte ihr die Augen geöffnet – ihn in seinem Büro zu sehen, wie er Telefonate führte, Treffen leitete, die Werbeaktionen der nächsten Wochen plante. Sie hatte erwartet, Alex als den Befehlshaber vorzufinden, der seine Angestellten die schwere Arbeit machen ließ und sich ansonsten heraushielt. Doch das Einzige, aus dem er sich herausgehalten hatte, war das Mittagessen gewesen. Darum hatte sich seine Schwester Finley gekümmert.
Alex war ihr ein guter großer Bruder. Wie oft hatte Lucy gesehen, dass er sie zum Lachen gebracht und sie für ihre Hilfe bei den Telefonaten gelobt hatte. Und als wäre das alles nicht schon genug gewesen, hatte er sich die Zeit genommen, Lucy herumzuführen und ihr alle vorzustellen, die mit ihm zusammenarbeiteten. Als wäre sie Teil seines Teams. Ein Mitglied von Alex Sinclairs innerem Kreis.
Und jetzt saß er neben ihr, wie es jeder normale Freund tun würde. Einer, der nicht im großen politischen Rennen mitrannte. Und wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich fast vorstellen, dass es wirklich so war. Sie konnte sich einreden, dass ihr Herz nicht wegen Matt brach. Es war so einfach, sich auf diese Fantasie einzulassen, die sie beide erschufen – dass Alex jemand war, der sich um sie sorgte. Der sie in dieser verwirrenden Zeit von Vaterfragen und sozialem Selbstmord beschützen würde.
Chucks Stimme unterbrach ihre wandernden Gedanken. „Im ersten Petrusbrief sagt Gott uns, dass es Zeit ist, wachsam zu sein. Der Teufel streift umher und sucht nach unseren Schwächen. Wisst ihr, wann wir am schwächsten sind?“
Auf den Partys reicher Leute , dachte Lucy.
„Wir sind leichte Beute, wenn wir gebrochen wie ein altes Fahrzeug am Wegesrand liegen“, fuhr Chuck fort. „Wenn das Leben uns auf die Knie gezwungen hat und wir nicht wissen, wie wir alles wieder auf die Reihe bekommen sollen. Wenn unser Kopf sich nur noch mit den Schmerzen beschäftigen kann … und alle Lösungsansätze nur wild in unseren Gedanken herumschwirren.“
Neben ihr machte Alex sich Notizen auf die Rückseite des heutigen Ablaufplanes. Seine Hand bedeckte einen Teil des Blattes und sie konnte nicht lesen, was er bisher geschrieben hatte.
„Gott sagt uns, dass wir demütig werden sollen. Dass wir zu ihm laufen und in seinen Armen Zuflucht suchen sollen. Wir dürfen es ihm überlassen, für uns zu sorgen, und können aufhören, uns von unseren Sorgen bestimmen zu lassen.“ Das gestreifte Hemd spannte sich über Chucks großen Bauch, als er die Bibel hochhielt. „Gott hat uns versprochen, dass wir alle Sorgen auf ihn werfen dürfen. Wenn wir eine kurze Zeit gelitten haben, wird er uns wieder aufrichten, stärken, kräftigen und auf festen Grund stellen.“
Wenn Lucy noch länger litt, wusste sie nicht, was sie noch tun sollte. Ihre Leidenszeit war eindeutig nicht mehr kurz, sondern dauerte nun schon viel zu lange an. Mit dreißig fühlte sie sich nun schon wieder genauso schrecklich wie damals als Teenager.
„Leute –“ Chuck ließ seine Augen über alle Anwesenden im Gottesdienstraum schweifen – „wir müssen standfest bleiben. Wir müssen fest mit Gottes Wort verbunden bleiben und immer wieder betend vor Gott kommen. Macht ihr
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