Scheinbar verliebt
gerne zum Essen einladen.“
Sie wusste, dass sie lächeln und nicken sollte. Die Rolle der lieben Freundin spielen. Aber Chuck hatte recht. Es war Zeit, sich um ihre eigenen Lasten zu kümmern, und wenn sie es jetzt nicht tun würde, würde sie es sich nie wieder trauen.
„Ich kann nicht.“ Sie brachte die Worte kaum hervor. „Ich … ich muss nach Hause und –“ Ihr Kopf war so leer wie ihr Bankkonto. „Mich um was kümmern.“
„Um was kümmern?“
„Ja. Wichtige Dinge.“ Sie konnte nicht erkennen, ob er ihr glaubte oder nicht. Es kümmerte sie auch nicht. „Ich sehe dich später.“ Lucy stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Geht es dir gut?“
„Ja.“
„Du hast mich gerade geküsst.“ Er tippte mit einem Finger auf seine Wange. „Freiwillig.“
„Ich konnte eben meine Leidenschaft nicht in den Griff bekommen“, antwortete sie trocken.
Er lächelte verschmitzt und etwas anzüglich. „Es ist passiert.“
Sie kramte hektisch in ihrer Tasche und zog den Autoschlüssel hervor. „Ich ruf dich später an.“
Sie ließ ihn einfach stehen und er starrte ihr nach. Das konnte sie spüren. Hektisch ging sie auf ihr Auto zu und riss die Tür auf. Mit laut aufgedrehtem Radio fuhr sie an der Kirche vorbei und versuchte, jeden Gedanken an Alex aus ihrem Kopf zu verbannen.
Zwanzig Minuten später bog sie in eine Allee, in der sich eine Villa an die andere reihte. Vor dem Tor zu einem der imposantesten Gebäude blieb sie stehen und kurbelte das Fenster hinunter. Mit zitternden Fingern drückte sie auf einen roten Knopf an einer Säule links von sich. Eine kleine Kamera über ihrem Kopf verfolgte jede ihrer Bewegungen.
„Ja?“, erklang eine Männerstimme.
„Julian?“
„Ja?“
„Hier ist –“
„Sagen Sie bitte Madonna.“
„Ähm, nein.“ Ein roter Vogel landete auf einem perfekt gestutzten Busch. „Hier ist Lucy. Lucy Wiltshire.“
„Mist.“ Dann ein Seufzen. „Dann müssen wir uns eben mit Ihnen begnügen.“ Das Tor öffnete sich quietschend. „Kommen Sie rein, Herzchen. Wir haben schon auf Sie gewartet.“
15. Kapitel
„ L ucy.“ Julian umarmte sie und gab ihr Luftküsschen auf beide Wangen. „Ich bin so froh, dass Sie gekommen sind. Es ist furchtbar langweilig, seit Tizzy Washington in der Reha ist und nicht mehr jeden Tag im Bademantel auf dem Rasen tanzt.“ Er zog sie mit sich in die Eingangshalle. „Sie kommen gerade richtig zum Mittagessen.“
Lucy starrte auf den Reichtum um sich herum. Edle Holzböden. Ein Empfangsraum, der größer war als ihr ganzes Apartment. Seidenvorhänge. Überall frische Blumensträuße. Kunstwerke an den Wänden.
„Ich weiß“, sagte Julian. „Es ist ein bisschen viel, aber ich bringe Clare einfach nicht davon ab.“
Lucy hatte den Blick auf ihre Reflexion im gebohnerten Boden gerichtet und stand auf der Schwelle zwischen Verzweiflung und Stolz. Wie viel Zeit hatte Steven hier verbracht? Sie war ihr ganzes Leben lang hier an seinem Haus vorbeigekommen. Hatten er und Clare die ganze Zeit über diese Sache Bescheid gewusst? Hatten sie gewusst, dass Lucy und ihre Mutter von einem mageren Gehaltscheck zum nächsten lebten? Von Secondhandläden und Kreditkarten?
„Ähm …“ Sie brauchte Anweisungen. Ein Skript, das ihr sagte, wie sie diesen seltsamen Moment überstehen sollte. „Ich habe mich gefragt, ob ich mit Mrs Deveraux sprechen könnte.“
„Natürlich. Ich funke sie schnell an.“ Er griff in seine Hosentasche und zog ein kleines Walkie Talkie hervor. „Du hast Besuch, Honigschnütchen. Ich wiederhole, du hast Besuch. Hier spricht Big Daddy. Over and out.“ Mit einem Lächeln wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Lucy zu und wies auf ein pinkfarbenes Sofa. „Sie wird gleich da sein. Fühlen Sie sich einfach wie zu Hause.“
Lucy setzte sich auf die Kante der Couch und hielt ihren Rücken so gerade und gestreckt, wie es der Raum zu verlangen schien.
Was machte sie nur? Das war verrückt. Doch sie brauchte Antworten. Und sie brauchte Clares Erfahrung und Wissen. Sie durfte auf keinen Fall das schwache Glied in Alex’ Kampagne sein. Sie würde bei dieser Sache erfolgreich sein. Sie würde es allen zeigen, die immer der Meinung gewesen waren, dass sie nichts erreichen würde. Allen, die seit Jahren mit ihren hohen Südstaatennasen auf sie herabgeblickt und ihr das Leben schwer gemacht hatten. Tja, also jetzt würde sie die Verlobte eines Kongressabgeordneten werden.
Jedenfalls
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