Scheinbar verliebt
Gebet konzentrieren. Wenn sie nachher dieses Haus verließ, würde sie wissen, ob Steven Deveraux wirklich ihr Vater war, warum ihre Mutter gelogen hatte und welche der vielen Gabeln man für das Dessert benutzte.
Lucy wusste, dass sie die Portion auf ihrem Teller niemals würde essen können. Ihr Magen fühlte sich wie verdreht an. „Fangen Sie ganz vorne an“, sagte sie. „Ich muss alles wissen.“
Clare warf Julian einen bedeutungsvollen Blick zu. Er griff nach Lucys Messer und legte es außer Reichweite.
„Wie du weißt, hat deine Mutter vor vielen Jahren unser Haus geputzt. Wir lebten damals im Gouverneurshaus in Washington, aber das hier war unser eigentliches Zuhause und Steve und ich waren sehr oft hier.“
Allein bei der Erwähnung ihrer Mutter fing die Wunde in Lucys Herz wieder an zu bluten.
„Sie war gut in dem, was sie tat. Deine Mutter fand viel Arbeit hier in der Gegend. Ich habe sie all meinen Freunden empfohlen.“ Clare nahm einen Bissen von ihrem Makkaroni mit Käse und lächelte, als würde sie einen teuren Wein genießen. „Das ist wirklich köstlich, Julian. Lass uns das morgen Abend wieder machen.“
„Gerne.“
„Mein Sohn war im letzten Jahr am College“, fuhr Clare fort. „Sein Vater war im Kongress und auch Steven wollte gerne in die Politik gehen. Er war überall beliebt. Wenn wir unseren Sohn ansahen, dachten wir, wir hätten den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten vor uns.“
Aber irgendetwas musste schiefgelaufen sein. Denn Steven war niemals in die Politik gegangen. Lucy wusste, dass er ein paar Geschäfte aufgebaut hatte, die jedoch alle pleitegegangen waren. Er hatte, soweit es Lucy bekannt war, niemals wirklich gearbeitet und nur von seinem Treuhandfond gelebt.
„An dem Tag, als mein Sohn für die Frühjahrsferien nach Hause kam, wusste ich, dass es Ärger geben würde. Er warf einen Blick auf deine Mutter und war unrettbar verloren. Steven hatte den Ruf eines Weiberhelden.“
Julian redete mit vollem Mund. „Das kann jedem mal passieren.“
„Wir hatten ihm schon vorher bei ein paar brenzligen Situationen helfen müssen. Aber dieses Mal“, sagte Clare, „konnte ich sehen, wohin die ganze Sache führen würde, doch wir konnten nichts tun. Als Steven mit deiner Mutter redete, sah sie ihn an, als sei er ein Gott. Ich habe ihm verboten, sich mit ihr zu treffen. Immerhin war sie eine Angestellte. Mein Sohn war ein Mann der Zukunft – ein Deveraux.“
„Meine Mutter war besser als Ihr Sohn an seinem besten Tag“, sagte Lucy und das Essen lag ihr wie Blei im Magen. „Sie war freundlich und gut. Sie hätte niemals jemanden nach seinem Aussehen, seiner Herkunft oder seinem Bankkonto beurteilt.“
Clare tunkte zwei Pommes in Ketchup und sprach weiter. „Mein Sohn war meine Welt. Damals dachte ich, ich würde ihn beschützen. Wenn ich heute zurückblicke, weiß ich, wie falsch ich damals lag. Wie schrecklich ich mich deiner Mutter gegenüber verhalten habe.“ Sie schob ihren Teller von sich und richtete ihre blauen Augen auf Lucy. „Ein paar Monate nach den Ferien kam Steven zu mir. Er erzählte mir, Anna sei schwanger. Er war untröstlich. Er bettelte mich an, es nicht seinem Vater zu erzählen. Natürlich habe ich das auch nicht getan. Es hätte meinen Mann umgebracht. Und zu dieser Zeit hätte es auch seine Karriere beenden können. Auf jeden Fall aber hätte es die Zukunft meines Sohnes zerstört. Ich konnte doch nicht zulassen, dass er die Putzfrau heiratet.“
Lucy hätte sich am liebsten übergeben. Wie hatte ihre Mutter das vor ihr geheim halten können?
„Steven war in meinen Augen immer noch ein kleiner Junge, den ich beschützen wollte. Mit deiner Mutter war er zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr zusammen und traf sich mit anderen, die alle perfekte Ehefrauen abgegeben hätten. Er flehte mich an, ihm zu helfen. Und hatte ich mich nicht sein ganzes Leben lang um ihn gekümmert?“ Clare starrte wie in weite Ferne. „Also bin ich zu Anna gegangen. Habe ihr Geld geboten, damit sie die Stadt verlässt. Sie hat abgelehnt. Sagte, sie sei in Charleston zu Hause und deshalb würde sie bleiben.“
„Die Gräber ihrer Eltern sind hier“, sagte Lucy mit monotoner Stimme. „Es war alles, was sie noch von ihrer Familie hatte.“
„Sie lehnte es ab zu gehen. Also machte ich ihr klar, dass mein Sohn sie nicht mehr sehen wollte. Aber das wusste sie zu diesem Zeitpunkt schon. Ich erhöhte den Geldbetrag für ihr Schweigen und endlich
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