Scheinbar verliebt
durchsuchte den Inhalt, bis sie ein Foto gefunden hatte. „Hier.“ Sie klatschte das Bild auf den ahornen Kaffeetisch. Schob es zu Clare. „Das ist mein Vater.“
Clare sah sich das Foto an.
Runzelte die Stirn.
„Das ist er“, sagte Lucy noch einmal. „Er war der Freund meiner Mutter.“
Clare setzte ihre Brille auf. „Das bezweifle ich stark. Das ist Randy Pollack. Er hat seinen Abschluss zusammen mit meinem Sohn gemacht.“
„Aber … das ist mein Vater.“ Sie konnte die Enttäuschung in ihren Worten hören. „Ich habe noch mehr Bilder.“
Clare nahm sich ein anderes Foto. „Ich sage es dir, der Mann auf diesen Bildern kann nicht dein Vater sein.“
„Und Sie wissen das, weil?“
„Weil Randy heute Rhonda Pollack heißt und in Reno lebt. Sie hat ihre eigene Show im Lucky Horseshoe und bringt ihre presbyterianische Mutter regelmäßig zum Weinen.“
Lucy sank in die Couch. „Oh.“
Lügen. Alles Lügen. Wie hatte ihre Mutter sie nur so aufwachsen lassen können? Wo um alles in der Welt kam sie wirklich her? Herr, ich will nicht, dass ich Steven Deveraux’ Gene habe. Von mir aus alle außer ihm. Alle außer seiner Familie.
„Bist du bereit für die Geschichte?“
Lucy schloss die Augen und presste sie zusammen.
Aber als sie sie wieder öffnete, war sie immer noch hier. Saß in Clares Empfangszimmer. Und ihr Leben war immer noch verwirrend.
„Ja.“
Clare nickte feierlich. „Dann werden wir reden. Und essen.“
Lucy drückte sich auf der Armlehne nach oben und kam zum Stehen.
„Oh, nein nein.“ Clare wackelte mit einem Finger. „Eine Dame steht nicht so schluderig auf. Sie erhebt sich, als werde sie von Luft getragen. Sieh mir zu.“
„Dafür bin ich im Moment wirklich nicht in Stimmung.“ Lucy war dankbar, dass ihr Rückgrat sie überhaupt noch aufrecht hielt.
Mit einer fließenden Bewegung und unendlicher Grazie erhob sich Clare. „Gesehen?“
„Hey.“ Julian stakste in den Raum. „Werdet ihr den ganzen Tag sitzen üben oder mir bei den Steaks Gesellschaft leisten?“
„Auf dem Weg dahin“, sagte Clare, „folgst du mir bitte, Lucy, damit du meinen Gang beobachten kannst.“
Clare ging vor. Gefolgt von Julian, der ihr mit einem Zwinkern in perfekter Imitation nachging.
Das Esszimmer war ein großer, sonniger Ort. Ein silberner Kronleuchter hing von der Decke, der zu den antiken Lampen an den Wänden passte.
Lucy setzte sich und legte die Serviette auf ihren Schoß. Clare schüttelte den Kopf. Gab es auch etwas, das sie richtig machte? Fand Clare wirklich, dass es eine korrekte Art und Weise gab, eine Serviette aufzufalten?
Julian stellte das letzte Tablett ab. „Okay, lasst uns essen.“
Lucy schaffte es, sich so lange aus dem Nebel, der sie umgab, zu befreien, um den köstlichen Duft vor sich wahrzunehmen. „Steaks, Pommes frites, Biersoße, Makkaroni mit Käse und Pudding?“ Und diese Frau hatte sie gerade wegen der richtigen Benutzung ihrer Serviette getadelt? Das hier war doch kein perfektes Dinner!
Clare zuckte mit den Schultern. „Wie ich vorhin schon sagte, ich habe mir selbst Dinge untersagt, die für andere völlig normal waren. Aber diese Zeiten sind jetzt vorbei. Julian hat mich überzeugt, dass ich mich ändern muss. Ein bisschen leben sollte.“
Julian nickte und faltete dann die Hände zum Gebet. „Wir haben eine To-Do-Liste erstellt. Sie hat schon all die großen Dinge erlebt – hat die Welt vom Eiffelturm aus gesehen, ist durch das Heilige Land gereist, hat Tee mit dem Dalai Lama geschlürft. Was sie brauchte war, die kleineren, einfacheren Freuden des Lebens kennenzulernen.“
Clare schloss ihre Lippen um den Strohhalm in ihrer Cola. „Letzte Woche war ich auf einem Garagenflohmarkt.“ Sie erschauerte. „Schreckliche Sache.“
„Ach, wie auch immer.“ Julian ließ sich nicht im Mindesten von dieser Frau einschüchtern. „Du bist mit einem Weihnachtspullover und einem Toilettenpapierwärmer zurückgekommen.“
„Hör auf mit deinem Geplapper und bete für unser Essen.“ Clares Wangen saugten sich nach innen, als sie einen weiteren Schluck nahm. „Das ist richtig gut. Das solltest du bald wieder machen.“
„Sei froh, dass ich deine Cola nicht vergiftet habe, du alte Schachtel.“
Sie knurrte missbilligend. „Alles, was ich dir in meinem Testament vermachen werde, ist das Paar Gucci-Highheels, also werde ich heute Nacht ohne Angst schlafen.“
Lucy konnte sich wegen der ganzen Fragen in ihrem Kopf nicht auf Julians kurzes
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