Scheinbar verliebt
ein modernisiertes Farmhaus. Neuer beiger Teppich bedeckte die Böden. Seine braune Ledercouch stand vor einem gemütlichen Kamin, über dem ein Flatscreen prangte. Den Kamin würde Matt nie entzünden. Der Dreck würde ihn stören. Weiße Wände prägten alle Räume, was Lucy stark an Matt’s alte Wohnung erinnerte. Sie hatte ihn einmal an einem Wochenende überrascht, sich seinen Schlüssel geschnappt und die Küche in einem wunderschönen Goldgelb gestrichen. Seine Anerkennung war nett und höflich, doch am nächsten Wochenende waren die Küchenwände wieder weiß gewesen. Veränderungen beunruhigten Matt und wenn es Lucy auch manchmal auf die Nerven gegangen war, hatte sie diese Stabilität an ihm zu schätzen gelernt.
„Setz dich.“ Matt wies auf das Sofa.
Während sie den Duft des neuen Teppichs in sich aufnahm, ließ sich Lucy nieder. Und sah die Zeitung auf dem Tisch.
Dort auf der ersten Seite prangte ein Foto von ihr und Alex bei dem Ballett. Mit seinem Arm um ihre Schulter wirkte Alex, als würde er seinen Besitzanspruch deutlich machen. Er zeigte aller Welt unverkennbar, dass Lucy Wiltshire zu ihm gehörte.
Matt räusperte sich. „Als ich das erste Bild von euch gesehen habe, habe ich noch gelacht. Ich wusste, dass du niemals mit einem Kerl wie Sinclair ausgehen würdest.“
Richtig. Denn wer würde sich jemals vorstellen, dass die Tochter der Putzfrau sich in einen Märchenprinzen verlieben würde?
„Matt, ich –“
„Aber es ist wahr.“ Er ging zum Tisch und nahm die Zeitung in die Hand. „Oder nicht?“
Ihre Zunge war wie ein fremder Gegenstand in ihrem Mund. „Ich … wir …“
„Triffst du dich mit diesem Kerl?“
Lucy versuchte, den Kloß in ihrem Hals loszuwerden, und nickte nur.
„Und das konntest du mir nicht sagen?“
„Ich wollte es, aber –“
„Was war an diesem Abend auf der Gala, als ich euch beide draußen gesehen habe? Wart ihr da schon zusammen?“
Und noch eine Lüge am Tag des Herrn. „Ja.“
„Und du hast dich von mir nach Hause bringen lassen?“
„Alex und ich … haben uns gestritten.“ Das stimmte wenigstens auf gewisse Art und Weise.
„So sah das für mich nicht aus.“
„Ja, gestritten.“ Sie wandte ihre Augen von der Zeitung ab. „Über Football. Er … ähm, ist süchtig nach Football. Ich wollte ihn schon bei einer Selbsthilfegruppe anmelden.“ Es war, als hätte Gott den Pausenknopf in ihrem Gehirn gedrückt. Nicht ein einziger vernünftiger Gedanke kam ihr in den Sinn. „Es tut mir leid.“
Mit drei Schritten stand er direkt vor ihr, seine Stimme war voller Schmerz. „Ich glaube dir nicht.“
„Aber es tut mir wirklich leid. Ich –“
„Ich glaube dir nicht, dass du dich mit diesem Typen triffst.“
Tränen traten ihr in die Augen, die sie schnell zurückdrängte. „Weil er zu gut für mich ist?“ Später würde sie darüber nachdenken, warum sie das mehr traf als die Tatsache, dass sie sich von Matt abwenden musste. Aber im Moment fühlte sich Lucy wieder wie das Mädchen auf der Montrose Academy, das ihren schmachvollen Weg über die Schulflure antrat – in ihrer abgenutzten Uniform und den Secondhandschuhen.
Matt kniete sich hin und ergriff Lucys Hand. „Er interessiert sich nicht für dich. Verstehst du das nicht? Was willst du mit einem Kerl wie ihm? Er ist arrogant, eingebildet und kümmert sich nur um sich selbst.“
„Das stimmt nicht. Er ist überraschend gutherzig. Höflich. Er kann nichts dafür, dass ihn die Medien so schrecklich darstellen. Wie würde es dir gefallen, wenn du den ganzen Tag von Paparazzi verfolgt werden würdest? Wie perfekt würde dein Leben dann aussehen?“ Lucy schloss ihre Augen und atmete tief durch. Hatte sie gerade für Alex Partei ergriffen? Es war, als hätte etwas Fremdes von ihrem Körper Besitz ergriffen. Sie wusste nicht einmal mehr, wer sie selbst war. Steven Deveraux’ Tochter. Clares Enkelin. Und jetzt Alex’ Verteidiger? Als Nächstes würde sie wahrscheinlich noch Kautabak spucken, Statistiken zitieren und sich an peinlichen Stellen kratzen.
„Ich liebe dich, Lucy! Ich will mir zusammen mit dir ein Leben aufbauen.“
Wieder musste sie gegen die Tränen ankämpfen. „Es … es ist zu spät.“ Es war zu spät für ihren Traum von einem Zuhause. Einer eigenen Familie, die sich freitags um den Tisch versammelte, Monopoly spielte und Popcorn aß. Vorbei. Alles vorbei. Sie hatte all das gegen die Existenz von Saving Grace eingetauscht.
Schniefend sah Lucy den Mann
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