Scheinbar verliebt
Lucy konnte nicht anders, als sich gegen ihn zu lehnen und in den gepflegten Garten hinauszusehen. Hier war Alex also aufgewachsen. Es war so viele Welten von der Einzimmerwohnung entfernt, die sie mit ihrer Mutter geteilt hatte.
„Ich weiß nicht, wie ich ihnen helfen soll“, sagte Lucy. „Mrs Hernandez kann nicht länger als ein paar Tage in Saving Grace bleiben.“
„Wir finden eine Lösung.“
Lucy wandte sich in seinen Armen um und sah ihn an. „Wirklich?“
Er fuhr mit dem Finger über die weiche Haut ihrer Wange. „Wenn du mir versprichst, dass du dadurch die Schuldgefühle loswirst, die dich nachts wachhalten.“
„Ich fühle mich nicht schuldig, ich –“
„Doch, tust du. Du wachst über deine Mädchen wie eine Mutter und dann machst du dir Vorwürfe, wenn doch nicht immer alles glattläuft und du nicht alles wiedergutmachen kannst.“
„Wie in unserer Scheinverlobung? Ist es das, was du meinst?“ Lucy war zu angespannt, um sich zurückzuhalten. „Wo wir gerade beim Thema Schuld sind, was ist mit deiner Schuld, Playboy?“
„Geht es um den Artikel letzte Woche in der OK!? Denn ich habe Posh bestimmt nicht ausgeführt, auch wenn Beckham das behaupten sollte.“
„Aus irgendeinem Grund hast du dir in deinem arroganten Hirn ausgemalt, dass du verantwortlich für den Tod deines Bruders bist – oder sollte ich lieber sagen, für die Tatsache, dass du noch lebst?“
Er riss seinen Blick von ihr los. „Du weißt doch gar nicht, worüber du redest.“
„Ich habe schon in den ersten zehn Minuten unserer allerersten Verabredung gemerkt, dass mit dir etwas nicht stimmt.“
Ein warmer Wind kam auf, und Alex fuhr sich müde mit der Hand übers Gesicht. „Du würdest es nicht verstehen.“
„Es geht hier doch nicht um Football.“ Sie fuhr mit den Fingern sanft die Narbe über seinem Auge entlang. „Ich versuche einfach, es zu verstehen.“
Alex wandte sich um und schritt auf der Terrasse auf und ab. Erst nach einer geschlagenen Minute blieb er wieder stehen. Mit ins Nichts gerichteten Augen fing er an zu erzählen. „Will war der Gute von uns beiden. Der Heilige. Er war so ein wunderbarer Mensch. Er hat so viel bewirkt. Er war gottesfürchtig. Er hat sein Leben dafür eingesetzt, die Welt zu verändern … andere zu segnen und ihnen zu helfen. An seiner Seite konnte man glauben, dass die Welt gut ist.“
„Also war er ein charismatischer Typ – wie du.“
„Er hat Schulen gebaut und Berichte über Kinderarbeit und Kindersklaverei verfasst.“ Sein Lachen klang hohl. „Ich habe Football gespielt, Lucy. Mein Leben war eine Farce, ein Witz.“
„Das stimmt nicht.“
Er runzelte die Stirn. „Ich war so in mich selbst verliebt, dass ich mir nicht einmal die Zeit genommen habe, mich von ihm zu verabschieden, bevor er nach Afghanistan gegangen ist. Für mich war es nur ein weiterer Trip, den er nach Übersee unternahm. Das war das letzte Mal, dass ich ihn hätte sehen können, und ich habe abgesagt.“
„Du hattest auch deinen Job.“
„Er hat gesagt: ‚Eines Tages wird dich das wirkliche Leben einholen. Und dann ist es zu spät für dich.‘“ Der Wind spielte mit Alex’ Haar, während er die Zähne zusammenpresste. „Und jetzt ist es zu spät.“
Lucy trat hinter ihn, umarmte seine Taille und legte ihren Kopf gegen seinen Rücken. „Du hast ihn geliebt. Das wusste er.“
„Ich habe alles hintenangestellt – meine Familie, meinen Glauben, sogar meine eigene Identität. Ich war zu beschäftigt damit, ein Footballstar zu sein.“
„Kandidierst du deshalb für den Kongress? Um etwas Bedeutendes zu tun – für ihn?“
„Vielleicht.“ Als er sich umwandte, stand Bitterkeit in seinem Gesicht. „Zuerst. Aber ich will es wirklich, Lucy. Ich will auch die Welt verändern und nicht länger mein Leben verschwenden.“
„Dein Bruder ist tot.“ Ihre Stimme zitterte. „Aber deine Familie ist noch am Leben. Es würde ihnen sehr wehtun, wenn sie wüssten, wie du dich selbst bestrafst.“
Er sagte nichts.
„Es ist nicht der gute Sinclair-Bruder, der tot ist. Deine Eltern haben zwei außergewöhnliche Männer großgezogen und einer von ihnen steht vor mir.“ Er versuchte, von ihr wegzugehen, doch sie ließ es nicht zu. „Will wusste, dass du ihn geliebt hast. Vergib dir selbst und höre nicht mehr auf diese verbitterte Stimme in deinem Kopf. Da drinnen im Haus ist eine Familie, die nicht auch noch ihren zweiten Sohn verlieren will.“
Ein Vogel landete auf einem
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