Scheinbar verliebt
entlangwandern. Wir bleiben in Kontakt.“
„Vielen Dank.“ Alex’ Worte klangen schwach und hohl. Sie spiegelten wider, wie es in seinem Herzen aussah.
Er schloss das Programm auf dem Laptop seines Vaters. Stille legte sich schwer und bleiern über den Raum. Bis sein Vater sich nach vorne beugte und das Gesicht in seinen Händen verbarg. Seine erstickten Schluchzer schnitten Alex ins Herz, sodass er sich fragte, warum er nicht anfing zu bluten. Das war sein Vater. Zerbrochen.
Alex rieb seine Hände. Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Bisher hatte er alles in seinem Leben wieder richten können. Durch harte Arbeit, ein bisschen Geld. Es hatte nichts gegeben, was er nicht hatte haben können. Bis jetzt. Kein Geld der Welt konnte ihm seinen Bruder zurückbringen. Und kein noch so erfolgreicher Geschäftsabschluss konnte den Schmerz in ihm stillen.
Sein Vater hob langsam den Kopf. „Sohn –“, rot geränderte Augen sahen Alex verzweifelt an, „– ich will, dass du für uns betest.“
Er? Jetzt? Er war doch der Kerl, der Gott bis vor einem Jahr den Rücken zugekehrt hatte. Er hatte keinen Retter gebraucht. Doch nach den ersten Nachrichten von Will hatte er gemerkt, dass das alles Dummheit gewesen war. Einbildung. Seine Hände waren nutzlos. Sein Bankkonto wertlos. Jetzt hast du wieder meine Aufmerksamkeit, Gott. Ist es das, was du wolltest? Alex mochte Gott in den Hintergrund gestellt haben, doch er wusste immer noch, wer wirklich Wunder wirken konnte. Und seitdem hatte er jeden Tag um eines gebettelt.
Gegen den Kloß in seinem Hals anhustend, legte er eine Hand auf den Rücken seines Vaters. Marcus Sinclair lehnte sich gegen Alex, während sie ihre Köpfe beugten.
Alex öffnete seinen Mund und wartete den Moment ab, in dem ihn eine neue Welle des Schmerzes zu überwältigen drohte. Sein Körper fühlte sich an, als sei er gerade angefahren worden. „Gott … wir bitten um Frieden für unsere Familie.“ Hörst du zu? Hörst du mich? Ist es das, was ich von dir bekomme, weil ich mich so lange von dir abgewendet habe? „Schenk uns Heilung und Trost. Hilf uns –“ Er hielt inne. Sein Verstand suchte nach den richtigen Worten –, Worte, die den Gott seiner Kindheit widerspiegelten. Den Gott, dem er aus tiefstem Herzen vertraut hatte. Doch Alex war leer. Ausgetrocknet. „Hilf uns einfach, das alles durchzustehen.“
Sein Vater umarmte ihn fest. „Amen.“ Marcus nahm ein Taschentuch von seinem Schreibtisch und putzte sich die rote Nase. „Ich sehe besser nach deiner Mutter. Du weißt ja, wie sie in Onkel Bills Gegenwart ist.“
Alex folgte seinem Vater den Flur entlang in das große Wohnzimmer. Im Gegensatz zum vornehmen Äußeren des Hauses war das Innere gemütlich gestaltet. Es war das Heim einer Familie. Unter diesem Dach waren drei Kinder aufgewachsen. Es war schon immer eine Anlaufstelle für Freunde und Bekannte gewesen. In diesem Wohnzimmer hielten seine Mutter und sein Vater eine wöchentliche Bibelstunde ab. Trotz all ihres Reichtums waren seine Eltern einfach zwei Menschen, die Jesus, ihr Leben und ihre Kinder liebten. Aber jetzt war eines von ihnen gegangen. Dieses Zuhause würde nie wieder das gleiche sein.
Alex begrüßte zwei seiner Cousins, die auch in Charleston lebten. Er wusste, dass noch mehr Familienmitglieder unterwegs waren. Man sprach schon über einen Gedenkgottesdienst und Alex hätte am liebsten mit der Faust gegen die Wand geschlagen.
Seine Schwester stand in einer Gruppe von Freundinnen und hatte ihren Kopf gegen die Schulter ihres Freundes gelegt, über den sich ihre Eltern immer beschwerten. Abgesehen von dem Haar, das dem Jungen in die Augen hing, schien er ganz in Ordnung zu sein. Alex war froh, dass Finley Menschen hatte, die sie stützten.
Am anderen Ende des Zimmers redete seine Mutter mit ihrer jüngsten Schwester und ihrer besten Freundin Marcy, die sie schon aus Collegezeiten kannte. Die Augen seiner Mutter waren geschwollen. Alex wusste, dass sie trotz aller Zweifel immer die Hoffnung aufrechterhalten hatte, dass Will eines Tages zurückkommen würde. Jetzt war auch ihr Herz gebrochen.
Noch mehr Menschen betraten den Raum und Alex erhaschte einen Blick auf goldblondes Haar.
Lucy.
Seine Lungen füllten sich endlich wieder richtig mit Luft, als er sie sah. In ihren Augen stand das gleiche Mitleid, das er so oft an ihr gesehen hatte, wenn es um ihre Mädchen ging. An ihrer bronzefarbenen Jacke fehlte ein Knopf und ihre Hosen waren so schmutzig, als
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