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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Abwechslung.«
    »Wissen Sie, wie viele Anrufe ich bekommen habe? Wegen meiner Theorie über die Auferstehung Christi?«
    »Ach – diese Geschichte.«
    »Sogar aus Florida haben Leute angerufen, die sich über meine Blasphemie aufgeregt haben.«
    »Sie haben nur gesagt, was Sie denken.«
    »Wenn man durch den Beruf so in der Öffentlichkeit steht wie ich, kann das manchmal gefährlich sein.«
    »Das gehört aber doch mehr oder weniger zum Geschäft, Dr. Isles. Sie sind eine Person des öffentlichen Lebens, und wenn Sie etwas Interessantes sagen, wird es abgedruckt. Wenigstens hatten Sie etwas Interessantes zu sagen, im Gegensatz zu den meisten Leuten, die ich interviewe.«
    Die Fahrstuhltür ging auf, und sie traten ein. Allein mit ihm auf so engem Raum war ihr plötzlich intensiv bewusst, dass sein Blick auf ihr ruhte. Seine körperliche Nähe bereitete ihr Unbehagen.
    »Also, wieso haben Sie mich angerufen?«, fragte sie.
    »Wollen Sie mich vielleicht in noch größere Schwierigkeiten bringen?«
    »Ich wollte etwas über die Obduktionen von Joe und Olena erfahren. Sie haben noch keinen Bericht herausgegeben.«
    »Ich habe die Obduktionen nicht abschließen können. Die Leichen sind ins Labor des FBI überführt worden.«
    »Aber Ihr Institut hatte sie doch wenigstens zeitweise in Gewahrsam. Ich kann nicht glauben, dass Sie die Leichen einfach so in Ihrem Kühlraum liegen lassen würden, ohne sie irgendwie zu untersuchen. Das passt nicht zu Ihrem Charakter.«
    »Wie ist denn mein Charakter?« Sie sah ihn herausfordernd an.
    »Sie sind neugierig. Anspruchsvoll.« Er lächelte »Hartnäckig.«
    »Wie Sie?«
    »Mit Hartnäckigkeit erreiche ich bei Ihnen offenbar gar nichts. Und ich dachte schon, wir könnten Freunde sein. Nicht, dass ich irgendeine Vorzugsbehandlung erwartet hätte.«
    »Was haben Sie denn von mir erwartet?«
    »Essen gehen? Tanzen? Oder wenigstens Cocktails?«
    »Machen Sie Scherze?«
    Er beantwortete ihre Frage mit einem verlegenen Schulterzucken. »Man kann’s ja mal versuchen.«
    Die Fahrstuhltür öffnete sich. Sie traten hinaus.
    »Sie wurde durch Schüsse in die Seite und in den Kopf getötet«, sagte Maura. »Ich denke, das war es, was Sie wissen wollten.«
    »Wie viele Schussverletzungen? Wie viele verschiedene Schützen?«
    »Wollen Sie sämtliche blutigen Details wissen?«
    »Ich will genau sein. Und das heißt, dass ich mich direkt an die Quelle wenden muss, auch wenn es bedeutet, dass ich der Quelle damit auf die Nerven falle.«
    Sie betraten die Nachrichtenredaktion und gingen vorbei an eifrig tippenden Journalisten, bis sie zu einem Schreibtisch kamen, der bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Papieren und Notizzetteln bedeckt war. Nicht ein einziges Foto von einem Kind, einer Frau oder auch nur einem Hund war zu sehen. Dieser Platz war ausschließlich der Arbeit gewidmet – wenngleich sie sich fragte, wie es eigentlich möglich war, in einem derartigen Chaos vernünftig zu arbeiten.
    Er beschlagnahmte einen Stuhl vom Schreibtisch seines Nachbarn und rollte ihn für Maura heran. Der Stuhl quietschte laut, als sie sich darauf niederließ.
    »Also, Sie weigern sich, mich zurückzurufen«, sagte er, indem er ebenfalls Platz nahm. »Aber Sie kommen zu mir in die Redaktion. Könnte man da vielleicht sagen, dass Sie widersprüchliche Signale aussenden?«
    »Dieser Fall hat sich als sehr kompliziert erwiesen.«
    »Und jetzt brauchen Sie etwas von mir.«
    »Wir versuchen alle zu verstehen, was an diesem Abend passiert ist. Und warum es passiert ist.«
    »Falls Sie Fragen an mich haben, hätten Sie doch nur zum Telefon greifen müssen.« Er fixierte sie eindringlich. »
Ich
hätte zurückgerufen, Dr. Isles.«
    Und dann schwiegen sie beide. An den anderen Schreibtischen klingelten Telefone, die Tastaturen klapperten, aber Maura und Lukas sahen einander nur an, und die Luft zwischen ihnen knisterte geradezu – es lag Gereiztheit darin, aber auch noch etwas anderes, was sie sich nur ungern eingestehen wollte. Ein Hauch von gegenseitiger Anziehung.
Oder bilde ich mir das nur ein?
    »Es tut mir Leid«, sagte er schließlich. »Ich benehme mich wie ein Idiot. Ich meine, Sie sind schließlich gekommen. Wenn auch nur aus egoistischen Motiven.«
    »Sie müssen auch meine Position verstehen«, sagte sie. »In meinem öffentlichen Amt bekomme ich ständig Anrufe von Reportern. Manche – nein, viele von ihnen nehmen nicht die geringste Rücksicht auf die Privatsphäre von Opfern oder die Gefühle

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