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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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werden.«
    Oder wenn einem, wie in diesem Fall, die Hände zerschmettert und alle Knochen einzeln zermalmt werden, dachte Jane. Die Strafe für irgendein Vergehen, irgendeinen Verrat.
    »Fünf Frauen sind in diesem Haus gestorben«, sagte Glasser. »Aber da draußen sind noch fünfzigtausend weitere verlorene Seelen, gefangen im ›Land der Freien‹. Missbraucht von Männern, die nur Sex wollen und sich einen Dreck darum scheren, ob die Hure dabei schluchzt. Männer, die keinen Gedanken an das menschliche Wesen verschwenden, das sie gerade benutzt haben. Vielleicht geht der Mann danach heim zu Frau und Kindern, spielt den guten Ehemann. Aber ein paar Tage oder Wochen später ist er wieder im Bordell, um ein Mädchen zu vögeln, das vielleicht so alt ist wie seine Tochter. Und wenn er morgens in den Spiegel schaut, käme er nie auf die Idee, dass er in das Gesicht eines Ungeheuers blickt.« Glassers Stimme war zu einem angespannten Flüstern geworden. Sie holte tief Luft und rieb sich den Nacken, als wollte sie ihre Wut wegmassieren.
    »Wer war Olena?«, fragte Jane.
    »Ihr voller Name? Den werden wir vermutlich nie erfahren.«
    Jane sah Barsanti erstaunt an. »Sie sind ihr bis Boston gefolgt, und Sie haben die ganze Zeit nicht einmal ihren Namen gekannt?«
    »Aber wir wussten etwas anderes über sie«, sagte Barsanti.
    »Wir wussten, dass sie eine Zeugin war. Sie war in diesem Haus in Ashburn.«
    Das ist es, dachte Jane. Das ist die Verbindung zwischen Ashburn und Boston. »Woher wissen Sie das?«, fragte sie.
    »Fingerabdrücke. Die Spurensicherung hat buchstäblich Dutzende unidentifizierter Abdrücke in diesem Haus sichergestellt. Sie stammten von keinem der Opfer. Manche dürften von Freiern dort hinterlassen worden sein. Aber ein Satz dieser unidentifizierten Abdrücke stimmte mit denen Olenas überein.«
    »Augenblick mal«, warf Gabriel ein. »Das Boston PD hat sofort eine AFIS-Suche zu Olenas Fingerabdrücken angefordert. Ohne Erfolg – es gab keinen einzigen Treffer. Und Sie erzählen mir jetzt, ihre Fingerabdrücke seien im Januar an einem Tatort gefunden worden? Wieso hat AFIS uns diese Information nicht geliefert?«
    Glasser und Barsanti tauschten einen raschen Blick. Einen beunruhigten Blick, der Gabriels Frage eindeutig beantwortete.
    »Sie haben ihre Abdrücke gar nicht in AFIS eingegeben«, sagte er. »Das war eine Information, die das Boston PD gut hätte gebrauchen können.«
    »Andere Beteiligte hätten sie ebenso gut gebrauchen können«, entgegnete Barsanti.
    »Wer zum Teufel sind diese
anderen,
von denen Sie reden?«, fuhr Jane dazwischen. »Ich war diejenige, die in der Klinik mit dieser Frau festsaß. Ich war diejenige, der eine Pistole an den Kopf gehalten wurde. Waren Ihnen die Geiseln eigentlich vollkommen egal?«
    »Selbstverständlich nicht«, erwiderte Glasser. »Aber wir wollten
alle
lebend dort herausholen. Einschließlich Olena.«
    »Vor allem Olena«, sagte Jane. »Sie war schließlich Ihre Zeugin.«
    Glasser nickte. »Sie hatte mit angesehen, was in Ashburn passiert war. Deswegen sind diese beiden Männer in ihrem Krankenzimmer aufgetaucht.«
    »Wer hat sie geschickt?«
    »Das wissen wir nicht.«
    »Sie haben die Fingerabdrücke des Mannes, den sie erschossen hat. Wer war er?«
    »Auch das wissen wir nicht. Ob er ein Exsoldat war, will das Pentagon uns nicht verraten.«
    »Sie sind vom Justizministerium, und nicht einmal
Sie
haben Zugang zu dieser Information?«
    Glasser kam auf Jane zu, nahm auf einem Sessel Platz und sah sie an. »Jetzt verstehen Sie, welche Hürden wir zu überwinden haben. Agent Barsanti und ich müssen diese Ermittlung so unauffällig und diskret wie möglich durchführen. Wir haben verdeckt gearbeitet, weil
die anderen
auch hinter ihr her waren. Wir hatten gehofft, sie vor ihnen zu finden. Und wir waren so dicht dran. Von Baltimore über Connecticut bis nach Boston – Agent Barsanti war ihr immer ganz dicht auf den Fersen.«
    »Wie haben Sie es geschafft, an ihr dranzubleiben?«, fragte Gabriel.
    »Anfangs war es recht einfach. Wir folgten einfach den Spuren, die Joseph Roke mit seiner Kreditkarte hinterließ, wenn er an einem Automaten Geld abhob.«
    Barsanti sagte: »Ich habe immer wieder versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Ich habe auf die Mailbox seines Handys gesprochen. Ich habe sogar eine Nachricht bei seiner alten Tante in Pennsylvania hinterlassen. Dann endlich rief Roke mich zurück, und ich versuchte, ihn zu einem Treffen zu überreden. Aber

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