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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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trauernder Angehöriger, und es ist ihnen gleich, wenn sie laufende Ermittlungen gefährden. Ich habe gelernt, vorsichtig zu sein und meine Worte sorgfältig abzuwägen. Weil ich schon zu viele schlechte Erfahrungen mit Journalisten gemacht habe, die mir geschworen hatten, meine Äußerungen vertraulich zu behandeln.«
    »Das also hat Sie davon abgehalten, mich zurückzurufen? Berufliche Diskretion?«
    »Ja.«
    »Und es gibt keinen anderen Grund, warum Sie sich nicht gemeldet haben?«
    »Welchen Grund sollte es noch geben?«
    »Ich weiß nicht. Ich dachte, dass Sie mich vielleicht nicht leiden können.« Sein Blick war so intensiv, dass es ihr schwer fiel, ihm weiter in die Augen zu sehen, so groß war das Unbehagen, das sie in seiner Nähe empfand.
    »Sie sind mir nicht unsympathisch, Mr. Lukas.«
    »Autsch. Jetzt ist mir endlich klar, was man unter einem zweischneidigen Kompliment zu verstehen hat.«
    »Ich dachte immer, Journalisten hätten ein dickeres Fell.«
    »Wir alle wollen doch nur geliebt werden, und ganz besonders von Menschen, die wir bewundern.« Er neigte sich zu ihr herüber. »Und übrigens, Mr. Lukas ist falsch. Ich heiße Peter.«
    Wieder trat eine Pause ein, weil sie nicht wusste, ob er mit ihr flirtete oder sie nur manipulierte. Bei diesem Mann mochte das durchaus aufs Gleiche hinauslaufen.
    »Das war ja wohl ein Schuss in den Ofen«, sagte er.
    »Es ist schön, Komplimente zu bekommen, aber mir wäre es lieber, wenn Sie einfach nur offen wären.«
    »Ich dachte, ich
wäre
offen.«
    »Sie wollen Informationen von mir. Ich will das Gleiche von Ihnen. Ich wollte nur nicht am Telefon darüber sprechen.«
    Er nickte verständnisvoll. »Okay. Es handelt sich also nur um ein schlichtes Tauschgeschäft.«
    »Was ich wissen muss, ist …«
    »Wir kommen gleich zur Sache? Darf ich Ihnen nicht wenigstens vorher noch eine Tasse Kaffee anbieten?« Er stand auf und steuerte eine Kaffeemaschine an.
    Sie warf einen Blick auf die Kanne und die teerschwarze Brühe, die darin herumschwappte, und sagte rasch: »Für mich nicht, danke sehr.«
    Lukas schenkte sich selbst eine Tasse ein und nahm wieder Platz. »Also, wieso wollten Sie die Sache nicht am Telefon besprechen?«
    »Es sind gewisse … Dinge passiert.«
    »Dinge? Wollen Sie mir erzählen, dass Sie nicht einmal mehr Ihrem eigenen Telefon vertrauen?«
    »Wie ich Ihnen bereits sagte, der Fall ist recht kompliziert.«
    »Einmischung durch Bundesbehörden. Konfisziertes ballistisches Beweismaterial. FBI im Clinch mit dem Pentagon. Eine Geiselnehmerin, die nach wie vor nicht identifiziert ist.« Er lachte. »Doch, ich würde sagen, der Fall ist inzwischen
sehr
kompliziert.«
    »Sie wissen das alles schon?«
    »Genau deswegen schimpft man unsereins Reporter.«
    »Mit wem haben Sie gesprochen?«
    »Glauben Sie wirklich, dass ich Ihnen diese Frage beantworten werde? Sagen wir einfach, dass ich gute Bekannte bei den Strafverfolgungsbehörden habe. Und ich habe meine Theorien.«
    »Worüber?«
    »Über Joseph Roke und Olena. Und die wahren Hintergründe dieser Geiselnahme.«
    »Niemand kennt die wahre Antwort.«
    »Aber ich weiß, was die Polizei denkt. Ich kenne ihre Theorien.« Er setzte seine Kaffeetasse ab. »John Barsanti hat rund drei Stunden mit mir verbracht – wussten Sie das? Er hat mich nach allen Regeln der Kunst gelöchert, um herauszukriegen, warum ich der einzige Reporter war, mit dem Roke reden wollte. Das ist das Bemerkenswerte an so einem Verhör – der Befragte kann allein anhand der Fragen, die ihm gestellt werden, eine ganze Menge in Erfahrung bringen. Ich weiß, dass Olena und Joe vor zwei Monaten zusammen in New Haven waren, wo er einen Polizisten tötete. Vielleicht waren sie ein Paar, vielleicht haben sie nur die gleichen Wahnideen geteilt, aber nach einem Vorfall wie diesem müssen sie beschlossen haben, sich zu trennen. Jedenfalls dann, wenn sie klug waren – und ich glaube nicht, dass diese Leute dumm waren. Aber sie müssen eine Möglichkeit gehabt haben, in Kontakt zu bleiben. Eine Möglichkeit, sich bei Bedarf wieder zusammenzufinden. Und sie haben Boston als Treffpunkt gewählt.«
    »Warum Boston?«
    Sein Blick war so direkt, dass sie ihm nicht ausweichen konnte. »Der Grund sitzt vor Ihnen.«
    »Sie?«
    »Sie denken jetzt vielleicht, ich bin eingebildet, aber ich sage Ihnen nur, was Barsanti zu glauben scheint: dass Joe und Olena aus irgendeinem Grund in mir einen Helden gesehen haben, den sie für ihren Kreuzzug einspannen

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