Scheintot
uns meldet.«
»Das hat sie noch nicht getan?«
»Nein. Wir haben die drei Telefonleitungen isoliert, die aus dem Flügel, in dem sie sich verbarrikadiert hat, nach draußen führen; so können wir alle ihre Gespräche überwachen. Wir haben schon ein halbes Dutzend Mal versucht, dort anzurufen, aber sie legt jedes Mal gleich auf. Irgendwann wird sie trotzdem mit uns reden wollen. Das tun sie fast alle früher oder später.«
»Sie scheinen davon auszugehen, dass sie nicht anders ist als jeder andere Geiselnehmer.«
»Menschen, die so etwas tun, zeigen oft ähnliche Verhaltensweisen.«
»Und wie viele Geiselnehmer sind Frauen?«
»Das ist allerdings ungewöhnlich, das muss ich zugeben.«
»Hatten Sie es je mit einer Geiselnehmerin zu tun?«
Er zögerte. »Um ehrlich zu sein«, sagte er schließlich, »für mich ist es das erste Mal. Für uns alle hier. Wir sind hier mit einer sehr seltenen Ausnahme konfrontiert. Frauen nehmen einfach keine Geiseln.«
»Diese Frau hat aber genau das getan.«
Er nickte. »Und solange ich nichts Näheres weiß, muss ich an die Sache so herangehen wie an jede andere Geiselnahme. Bevor ich mit ihr verhandle, muss ich so viel wie möglich über sie in Erfahrung bringen. Wer sie ist, und warum sie das tut.«
Maura schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob ich Ihnen da weiterhelfen kann.«
»Sie sind die letzte Person, die mit ihr Kontakt hatte. Erzählen Sie mir alles, woran Sie sich erinnern. Jedes Wort, das sie gesagt hat, jedes Wimpernzucken.«
»Ich war ja nur ganz kurz mit ihr allein. Nur ein paar Minuten.«
»Und haben Sie mit ihr geredet?«
»Ich habe es versucht.«
»Was haben Sie zu ihr gesagt?«
Maura spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden, als sie an diese Fahrt im Aufzug zurückdachte. Daran, wie die Hand der Frau gezittert hatte, mit der sie die Waffe umklammert hielt. »Ich habe versucht, sie zu beruhigen, sie zur Vernunft zu bringen. Ich sagte ihr, dass ich ihr nur helfen wollte.«
»Wie hat sie reagiert?«
»Sie hat gar nichts gesagt. Sie blieb völlig stumm. Das war das Erschreckendste.« Sie sah Stillman an. »Ihr hartnäckiges Schweigen.«
Er runzelte die Stirn. »Hat sie in irgendeiner Weise auf Ihre Worte reagiert? Sind Sie sicher, dass die Frau Sie verstehen konnte?«
»Sie ist nicht taub. Sie reagiert auf Geräusche. Ich weiß, dass sie die Polizeisirenen gehört hat.«
»Und doch hat sie kein einziges Wort gesagt?« Er schüttelte den Kopf. »Das ist äußerst merkwürdig. Haben wir es hier vielleicht mit einer Sprachbarriere zu tun? Dann dürften die Verhandlungen sich sehr schwierig gestalten.«
»Ich hatte sowieso nicht den Eindruck, dass sie mit sich verhandeln lässt.«
»Erzählen Sie mir alles von Anfang an, Dr. Isles. Was die Frau getan hat, was Sie selbst getan haben.«
»Ich bin das alles schon mit Captain Hayder durchgegangen. Wenn Sie mir immer wieder dieselben Fragen stellen, bekommen Sie auch keine neuen Antworten.«
»Ich weiß, dass Sie sich wiederholen müssen. Aber irgendetwas von alldem, woran Sie sich erinnern, könnte genau das entscheidende Detail sein. Der eine Punkt, an dem ich ansetzen kann.«
»Sie hat mir eine Pistole an den Kopf gehalten. Ich fand es schwierig, mich auf irgendetwas anderes als das nackte Überleben zu konzentrieren.«
»Sie waren in ihrer Nähe. Sie wissen, in welcher psychischen Verfassung sie zuletzt war. Haben Sie irgendeine Vorstellung, warum sie so gehandelt haben könnte? Und ob damit zu rechnen ist, dass sie den Menschen in ihrer Gewalt etwas antun wird?«
»Sie hat bereits einen Mann getötet. Sollte Ihnen das nicht einiges über sie verraten?«
»Aber seitdem haben wir keine Schüsse mehr gehört; wir sind also über die kritischen ersten dreißig Minuten hinweg, die erfahrungsgemäß die gefährlichste Phase darstellen. Während dieser Zeit ist der Täter noch sehr ängstlich, und die Gefahr, dass er eine seiner Geiseln tötet, ist am größten. Es ist jetzt mehr als eine Stunde vergangen, und sie hat noch keine weiteren Schritte unternommen. Soweit wir wissen, hat sie keiner weiteren Geisel etwas angetan.«
»Aber was tut sie dann da drin?«
»Wir haben keine Ahnung. Wir suchen immer noch fieberhaft nach Hintergrundinformationen. Die Mordkommission versucht herauszufinden, wie es dazu kam, dass sie im Leichenschauhaus landete, und in ihrem Krankenzimmer haben wir Fingerabdrücke sichergestellt, von denen wir glauben, dass sie von ihr stammen. Solange niemand sonst zu
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