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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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atmete wieder aus. Während die Luft aus ihren Lungen entwich, ließ sie ihre Muskeln erschlaffen. Ihre Beine knickten weg, und sie sackte zu Boden.
    Die Frau stieß einen Laut der Überraschung aus und versuchte verzweifelt, Maura festzuhalten. Aber ein schlaffer Körper ist schwer, und schon glitt ihre Geisel gänzlich zu Boden, ihr menschlicher Schutzschild brach zusammen. Und plötzlich war Maura frei. Sie fiel seitwärts, riss die Arme über den Kopf und rollte sich in Erwartung des Schusses zusammen. Doch sie hörte nur laufende Schritte und Rufe.
    »Mist. Ich kann keinen sauberen Schuss anbringen!«
    »Aus dem Weg, verdammt, das gilt für alle!«
    Eine Hand packte sie, schüttelte sie. »Lady? Sind Sie okay? Sind Sie
okay?
«
    Endlich schlug sie zitternd die Augen auf und blickte zu dem Polizisten auf. Sie hörte das Knacken von Funkgeräten, und irgendwo heulten Sirenen wie alte Klageweiber.
    »Kommen Sie, Sie müssen weg von hier.« Der Cop nahm ihren Arm und zog sie hoch. Sie zitterte so heftig, dass sie kaum stehen konnte, und so schlang er ihr den Arm um die Taille und führte sie zum Ausgang. »Sie da!«, rief er den Umstehenden zu. »Raus aus dem Gebäude, aber sofort!«
    Maura blickte sich um. Von der namenlosen Frau war nichts mehr zu sehen.
    »Können Sie gehen?«, fragte der Polizist.
    Unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen, nickte sie nur.
    »Dann gehen Sie! Wir müssen das Gebäude evakuieren. Und Sie sollten auch zusehen, dass Sie hier wegkommen.«
    Weil es jeden Moment ein Blutbad geben kann.
    Sie machte ein paar Schritte in Richtung Tür. Blickte sich ein letztes Mal um und sah, dass der Polizist schon in die andere Richtung losgegangen war. Ein Schild wies den Weg zu dem Flügel des Gebäudes, in den die namenlose Frau sich zurückgezogen hatte, um sich bis zuletzt zur Wehr zu setzen.
    Bilddiagnostik.
     
    Jane Rizzoli schreckte aus dem Schlaf hoch und blinzelte einen Moment lang desorientiert zur Decke hinauf. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie einnicken würde, doch die Untersuchungsliege war erstaunlich bequem, und sie war müde; die letzten paar Nächte hatte sie nicht besonders gut geschlafen. Sie sah auf die Uhr an der Wand und stellte fest, dass man sie schon über eine halbe Stunde lang allein gelassen hatte. Wie lange sollte sie denn noch warten? Sie ließ noch weitere fünf Minuten verstreichen, und mit jeder Minute wuchs ihre Verärgerung.
    Okay, es reicht. Ich gehe jetzt nachsehen, warum das so lange dauert. Und ich werde nicht auf einen Rollstuhl warten.
    Sie rutschte von der Liege, und ihre nackten Sohlen klatschten auf den kalten Fußboden. Nachdem sie zwei Schritte gemacht hatte, merkte sie, dass ihr Arm noch an dem Infusionsbeutel mit Kochsalzlösung hing. Sie hängte den Beutel an einen fahrbaren Ständer und rollte ihn zur Tür. Ein Blick hinaus auf den Flur – niemand zu sehen. Keine Schwester, kein Pfleger, keine Assistentin.
    Na, das war ja beruhigend. Sie hatten sie völlig vergessen.
    Sie begann, ihren Infusionsständer den fensterlosen Flur entlangzuschieben. Die Räder eierten über den Linoleumbelag. Sie kam an einer offenen Tür vorbei, dann an einer zweiten, und sie sah leere Untersuchungsliegen, verlassene Räume. Wo waren nur die ganzen Leute geblieben? In der kurzen Zeit, während sie geschlafen hatte, waren sie alle spurlos verschwunden.
    War es wirklich nur eine halbe Stunde!
    Sie blieb in dem menschenleeren Flur stehen, gepackt von der bizarren Vorstellung, dass während ihres kurzen Schlummers alle anderen Menschen auf mysteriöse Weise vom Erdboden verschwunden waren, wie in einem Science-Fiction-Film. Sie spähte den Flur hinauf und hinunter, versuchte sich zu erinnern, wo es zurück zum Wartezimmer ging. Sie hatte nicht auf den Weg geachtet, als die Assistentin sie in den Untersuchungsraum geschoben hatte. Sie öffnete eine Tür und erblickte ein Büro. Öffnete eine weitere Tür und fand einen Aktenraum.
    Nirgendwo ein Mensch.
    Mit schnelleren Schritten watschelte sie durch das Labyrinth von Fluren, den ratternden Infusionsständer vor sich herschiebend. Was war das hier eigentlich für ein Krankenhaus, wo man eine arme hochschwangere Frau einfach allein ließ? Sie würde sich beschweren, jawohl, das würde sie. Sie könnte schon in den Wehen liegen! Sie könnte sterben! Aber im Moment hatte sie nur eine Stinkwut, und das war nicht die Stimmung, in die man eine Schwangere bringen sollte. Schon gar nicht
diese
Schwangere.
    Endlich entdeckte

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