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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Schaden kommt, ist die Zeit auf unserer Seite. Je länger die Sache sich hinzieht, desto mehr Informationen werden wir über sie sammeln können. Und umso wahrscheinlicher wird es, dass wir das Ganze unblutig beenden können, ohne dass irgendjemand den Helden spielen muss.« Er blickte zur Klinik hinüber. »Sehen Sie die Polizisten da drüben? Die scharren wahrscheinlich schon mit den Hufen und können es kaum erwarten, das Gebäude zu stürmen. Wenn es dazu kommt, dann habe ich versagt. Meine Faustregel für den Umgang mit Geiselnahmen ist simpel: den Lauf der Dinge verlangsamen. Sie sitzt fest, in einem Flügel ohne Fenster und ohne Ausgänge, kann uns also nicht entkommen. Sie kann uns nicht durch die Lappen gehen. Also lassen wir sie schmoren und über ihre Lage nachdenken. Und irgendwann wird ihr klar werden, dass sie keine andere Wahl hat, als sich zu ergeben.«
    »Wenn sie rational genug denkt, um das einsehen zu können.«
    Er betrachtete sie einen Moment lang. Ein Blick, der vorsichtig die Bedeutung dessen, was sie gerade gesagt hatte, zu ermessen suchte. »Halten Sie sie für rational?«
    »Ich glaube, dass sie Angst hat«, antwortete Maura. »Als ich dort im Aufzug mit ihr allein war, habe ich die Panik in ihren Augen gesehen.«
    »Hat sie deswegen geschossen?«
    »Sie muss sich bedroht gefühlt haben. Wir haben uns zu dritt um ihr Bett gedrängt und versucht, sie zu fesseln.«
    »Zu dritt? Die Krankenschwester, mit der ich gesprochen habe, sagte, als sie das Zimmer betrat, habe sie nur Sie und den Wachmann gesehen.«
    »Da war auch noch ein Arzt. Ein junger Mann – blond.«
    »Die Schwester hat ihn nicht gesehen.«
    »Nun ja, er ist davongelaufen. Als der Schuss fiel, hat er sofort die Beine in die Hand genommen.« Sie hielt inne, immer noch verbittert darüber, dass der Mann sie so feige im Stich gelassen hatte. »Und ich blieb im Zimmer zurück und saß in der Falle.«
    »Was glauben Sie, warum die Patientin nur auf den Wachmann geschossen hat? Wo Sie doch zu dritt am Bett standen?«
    »Er hatte sich gerade über sie gebeugt. Er war am nächsten an ihr dran.«
    »Oder war es seine Uniform?«
    Sie runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«
    »Denken Sie doch mal nach. Eine Uniform ist ein Symbol der Staatsgewalt. Sie könnte ihn für einen Polizisten gehalten haben. Da drängt sich die Frage auf, ob sie vielleicht vorbestraft ist.«
    »Viele Menschen haben Angst vor der Polizei. Dazu muss man noch nicht kriminell sein.«
    »Warum hat sie den Arzt nicht erschossen?«
    »Ich sagte Ihnen doch, er ist davongelaufen.«
    »Auf Sie hat sie auch nicht geschossen.«
    »Weil sie eine Geisel brauchte. Ich war die erstbeste lebende Person, die sie finden konnte.«
    »Glauben Sie, dass sie auch Sie getötet hätte? Wenn sie die Gelegenheit dazu gehabt hätte?«
    Maura sah ihm in die Augen. »Ich glaube, diese Frau würde alles tun, um zu überleben.«
    Plötzlich wurde die Tür des Containers geöffnet. Captain Hayder steckte den Kopf heraus und sagte zu Stillman: »Kommen Sie doch mal rein, Leroy – das müssen Sie sich anhören.«
    »Was ist es denn?«
    »Es wurde gerade im Radio gesendet.«
    Maura folgte Stillman zurück in den Container, wo es in der kurzen Zeit, die sie draußen gestanden hatten, noch stickiger geworden war.
    »Spielen Sie die Aufnahme noch einmal ab«, sagte Hayder zu Emerton.
    Aus dem Lautsprecher drang eine aufgeregte Männerstimme. »… Sie hören KBUR, und hier spricht Rob Roy, Ihr Moderator an diesem äußerst merkwürdigen Nachmittag. Wir haben hier eine total
groteske
Situation, Leute. Wir haben nämlich gerade eine Lady an der Strippe, die von sich behauptet, die Frau zu sein, die in diesem Moment das Spezialkommando unserer Polizei drüben in der Albany-Street-Klinik in Atem hält. Zuerst habe ich ihr ja nicht glauben wollen, aber unser Produzent hat mit ihr gesprochen. Wir denken, dass sie die Wahrheit sagt …«
    »Verdammt, was ist das denn?«, sagte Stillman. »Das muss ein schlechter Scherz sein. Wir haben die Telefonleitungen doch isoliert.«
    »Hören Sie einfach zu«, sagte Hayder.
    »… und deshalb – hallo, Miss?«, hörten sie den Radiomoderator sagen. »Reden Sie mit uns. Sagen Sie uns Ihren Namen.«
    »Mein Name tut nichts zur Sache«, antwortete eine kehlige Frauenstimme.
    »Okay. Also, warum um alles in der Welt tun Sie das?«
    »Die Würfel sind gefallen. Das ist alles, was ich sagen will.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Sagen Sie es Ihnen. Wiederholen Sie

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