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Scheintot

Scheintot

Titel: Scheintot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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genommen hat. Seine drei Gäste sind alle Männer, alle adrett gekleidet mit Anzug und Krawatte. Zwei von ihnen sind jung und fit, Männer, die sich mit der souveränen Eleganz von Athleten bewegen. Aber der dritte Mann ist älter, so alt wie mein Großvater, nur wesentlich schwerer; er trägt eine Brille mit Drahtgestell, und sein ergrauendes Haar wird in wenigen Jahren unweigerlich einer Glatze weichen müssen. Die Gäste blicken sich im Raum um und inspizieren uns mit unverkennbarem Interesse.
    »Wie ich sehe, haben Sie ein paar Neue kommen lassen«, sagt der ältere Mann.
    »Sie sollten mal wieder im Haus vorbeischauen, Carl, und sich anschauen, was wir so auf Lager haben.« Mr. Desmond deutet auf die Bar. »Einen Drink, die Herren?«
    »Ein Scotch wäre nicht schlecht«, sagt der ältere Mann.
    »Und was ist mit Ihnen? Phil? Richard?«
    »Für mich dasselbe.«
    »Der Champagner da käme mir jetzt gerade recht.«
    Die Motoren der Yacht beginnen zu stampfen. Ich schaue aus dem Fenster und sehe, dass wir uns bewegen, dass wir auf den Fluss hinausfahren. Noch gesellen die Männer sich nicht zu uns. Stattdessen bleiben sie an der Bar stehen, schlürfen ihre Drinks und unterhalten sich nur untereinander. Olena und ich verstehen Englisch, aber die anderen Mädchen können nur ein paar Brocken, und ihr mechanisches Lächeln weicht bald gelangweilten Mienen. Die Männer reden übers Geschäft. Ich höre sie über Verträge und Angebote diskutieren, über den Zustand der Straßen und über Verkehrsopfer. Wer mit wem um welchen Vertrag wetteifert und für wie viel. Das ist der wahre Anlass für die Party: zuerst das Geschäft, dann das Vergnügen. Sie trinken ihre Gläser aus, und der Barkeeper schenkt die nächste Runde ein. Sie reißen noch ein paar Witzchen, ehe sie die Nutten vernaschen. Ich sehe die Eheringe an den Händen der drei Gäste funkeln, und ich stelle mir vor, wie diese Männer mit ihren Frauen schlafen, in großen Betten mit sauberen Laken. Frauen, die nicht ahnen, was ihre Ehemänner in anderen Betten treiben, mit Mädchen wie mir.
    In diesem Moment sehen die Männer zu uns herüber, und meine Hände beginnen zu schwitzen, wenn ich an das Martyrium denke, das mir an diesem Abend noch bevorsteht. Der ältere starrt unentwegt Olena an.
    Sie lächelt ihm zu, raunt mir dabei aber auf Russisch zu: »Was für ein Schwein. Ich frage mich, ob er grunzt, wenn er kommt.«
    »Er kann dich hören«, flüstere ich.
    »Er versteht kein Wort.«
    »Das weißt du doch nicht.«
    »Sieh mal, er lächelt. Er glaubt, ich sage dir gerade, wie attraktiv ich ihn finde.«
    Der Mann stellt sein leeres Glas auf der Theke ab und kommt auf uns zu. Ich denke, er hat es auf Olena abgesehen, also stehe ich auf, um Platz für ihn auf dem Sofa zu machen. Doch es ist mein Handgelenk, nach dem er greift, und er hält mich zurück, als ich gehen will.
    »Hallo«, sagt er. »Sprichst du Englisch?«
    Ich nicke; meine Kehle ist so trocken, dass ich keine Antwort herausbringe. Ich kann ihn nur voller Bestürzung anstarren. Olena erhebt sich vom Sofa, wirft mir einen mitfühlenden Blick zu und schlendert davon.
    »Wie alt bist du?«, fragte er.
    »Ich bin … ich bin siebzehn.«
    »Du siehst viel jünger aus.« Er klingt enttäuscht.
    »He, Carl«, ruft Mr. Desmond. »Warum machen Sie nicht einen kleinen Spaziergang mit ihr?«
    Die beiden anderen Gäste haben sich auch schon ihre Gespielinnen ausgesucht. Einer von ihnen führt gerade Katya auf den Gang hinaus.
    »Suchen Sie sich irgendeine Kabine aus«, ruft ihm unser Gastgeber nach.
    Carl starrt mich an. Dann schließt sich seine Hand fester um mein Handgelenk, und er führt mich durch den Korridor. Er zerrt mich in eine luxuriöse Kabine mit glänzenden Holzpaneelen. Ich weiche mit pochendem Herzen zurück, während er die Tür abschließt. Als er sich zu mir umdreht, sehe ich, dass seine Hose sich bereits ausbeult.
    »Du weißt, was du zu tun hast.«
    Aber ich weiß es nicht; ich habe keine Ahnung, was er von mir erwartet. Umso größer ist der Schock, als er unvermittelt zuschlägt. Die Ohrfeige wirft mich auf die Knie nieder, und ich kauere verwirrt zu seinen Füßen.
    »Kannst du nicht hören? Du dumme Schlampe.«
    Ich nicke, lasse den Kopf sinken und starre auf den Boden. Plötzlich begreife ich, welches Spiel hier gespielt wird – was es ist, das er begehrt. »Ich bin sehr böse gewesen«, flüstere ich.
    »Du musst bestraft werden.«
    O Gott. Hoffentlich ist es bald vorbei.
    »
Sag

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