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Scheiss dich nicht an - Lebe

Scheiss dich nicht an - Lebe

Titel: Scheiss dich nicht an - Lebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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hoffnungsvoller war, und muskulöser und stärker als er war er auch. Ein Zuchteber von ganz besonderem Format war das, von dem der Biermösel heute aber auch nicht mehr sagen kann, wie der genau geheißen hat, auch irgendwas mit E., glaubt er, also vielleicht Erwin?
    Berühmt-berüchtigt in der ganzen Gegend war er, ein Sauenheld durch und durch, unbesiegt auf jeder Landwirtschaftsmesse, mit Hunderten Medaillen behängt und von Tausenden Lutschis verehrt und gepriesen. Nur Muskeln, nur Kraft, nur wildes, ungebärdetes Gebaren. Wie die Vorhut vom jungen Frühling hat er alles gepackt, was vier Schweinshaxerln und ein Ringelschwanzerl hintendran gehabt hat, und die Schweinderln haben dann alle vor Freude gequietscht wie die Säue, so einer war das, der Biermösel glaubt jetzt doch, dass er Elmar geheißen hat.
    Und er selbst? Und seine Hoffnungen? Und sein erfolgreiches Leben?, kränkt sich der Biermösel jetzt, wie er den Ländlichen Boten in die Ecke schmeißt. „Oh süßes Schweinchen Jugend!“, fragt er sich mit bitteren Tränen. „Wohin bist du entlaufen?“
    Der Biermösel muss sich dann nämlich selbst ein bisserl wundern, wie fett er geworden ist. Nichts ist mehr übrig geblieben vom Glanz seiner Jugend, in der er dem Zuchteber im Stall in wenig nachgestanden ist, außer natürlich bei den Muskeln und im Erfolg bei den Weibern. Wie die Kugel in der Kanone steckt er jetzt während der langen ereignislosen Tage oft stundenlang in seiner Muschel fest, die einfach nicht mehr zu seinem Riesentrumm von Arsch passen will. Teils, und zwar großteils, weil er während dem letzten, abermals sehr einsamen und abermals sehr kalten Winter wegen der vielen Weihnachtskekserln gegen die Einsamkeit doch einiges an Gewicht zugelegt hat. Teils aber auch, weil der Aschermittwoch beim Biermösel normalerweise immer den Anfang von seiner Radikalopposition gegen den komplett freudlosen Pfarrer Hein drüben einläutet, normalerweise!
    Seit ihm die Roswitha auf seinem Kreuzzug gegen den immer weiter um sich greifenden Wahnsinn mit der Freudlosigkeit auch noch abhanden gekommen ist und sie ihn so ungesund ernährt, gibt es kein warmes, dampfendes Blut mehr und keine frischen Därme, die er zerreißen könnte. Ewig lange ist es her, dass die fetten, eingebildeten Säue erhobenen Hauptes, mit wackeligem Arsch und einem letzten verächtlichen „Quieeek“ aus ihrem Rüssel heraus gestorben sind, der Biermösel kann sich gar nicht mehr erinnern, wann die Roswitha das letzte Mal geschlachtet und wann sie selbst was gegessen hat, Heilige Maria Muttergottes, fragt er sich besorgt, was wird denn das für sein Osterlamm heißen, das selbstverständlich auch heuer wieder ein Schweinderl sein soll, aber wird es auch wirklich eines werden?
    Auf das tiefgefrorene Zeug, das ihm die Roswitha seit der Magennotoperation aufwärmt, folgt oben in der Schlafkammer im besten Fall die Kolik, aber der angestrebte Besinnungsverlust vorher herunten in der Gaststube bleibt natürlich aus, wenn man ausschließlich Schweinehälften aus dem Kühlraum verschlingt, die eigentlich nur als Notration für den Fall der Fälle dort unten gebunkert werden, nicht für den kleinen Hunger zwischendurch.
    Zwar bringt ihm die Roswitha nach wie vor das Schwein an den Tisch, aber sie teilt seine Freude daran nicht mehr. Stattdessen steht sie nur mit veschränkten Armen in der Tür, die von der Küche in die Wirtsstube herausführt, und schaut ihm aus ihren schwarzumrandeten Augen heraus genau auf sein Bauchfleisch, ruhig und stoisch wie der Chinese an der Biegung vom Fluss steht sie da und schaut. Und wenn der Biermösel sich nicht komplett täuscht, dann läuft ihr dabei das Wasser im Mund zusammen, und er kommt sich bedrohter vor als der russische Wildhüter in der Taiga, der nach einem allzu langen Winter vorm ausgehungerten Säbelzahntiger steht, und dann fragt sich der Biermösel besorgt:
    „Kann es denn wirklich sein, dass ich nur noch das Zeug zur Hausmannskost habe?“

Süßes Schweinchen Jugend
    Der Biermösel sitzt dann schon ein bisserl länger als ihm lieb ist auf seinem Erlebnispark am Gendarmerieposten in Aussee herum und hat noch immer nichts erlebt, bald sind es 35 Jahre.
    Über diese traurige Tatsache tröstet er sich mit einer vorösterlichen Flasche Marillenschnaps brutal aus dem Hause Tötschinger hinweg und mit einer Ladung Schmalzbrote, gewonnen aus den gottgegebenen Überresten der eigenen gesegneten Schweinderln. Aber viel Trost ist da nicht mehr.

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