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Scheiss dich nicht an - Lebe

Scheiss dich nicht an - Lebe

Titel: Scheiss dich nicht an - Lebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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Doppelläufigen?
    Bald treffen ihn Pfeile und Dreckbatzen und immer größere Steine durch das geöffnete Fenster. Bevor sie ihn ganz begraben, brennt sich der Biermösel die eine Hälfte von seinen Federn weg und befreit sich so im letzten Moment aus der Falle. Nur mit Glück kann er das Übergreifen der Flammen auf das Gesamtareal und womöglich noch auf die gesamte ausgetrocknete Region und vielleicht weiter auf das ganze rot-weiß-rote Bundesgebiet verhindern, angefacht vom immer stärker werdenden Föhn.
    Die Vorstellung befeuert ihn, dass das ganze depperte Land abbrennen könnte, aber leichtsinnig macht sie ihn auch. Er kann nämlich nicht verhindern, dass ein von der Genfer Konvention verbotenes, rostiges U-Hakerl in seinem Arsch einschlägt, noch bevor er sich wieder aufrichten kann, abgefeuert von einem hinterfotzigen Rotzbuben, der sich gegenüber in einen Baum geschlichen und sich zu den Vogerln und Katzerln gesellt hat, die sich – interessant! – alle dort versammelt haben und mit nicht geringer Freude seinem drohenden Niedergang zuschauen, wer klatschen kann, der klatscht sogar, als er entsetzt aufschreit: „Aua!“
    Das U-Hakerl hat ihn mitten am ungeschützten so genannten Gesäß getroffen, rechts im Unterholz steckt es drinnen, tief hineingebohrt ins ranzige Fleisch, nicht mehr abgewehrt von der allzu runzeligen und durchlässigen Haut.
    „Na gut“, schreit der Biermösel, wie er sich doch noch einmal aufrichten will und ihm dabei das Kreuz bricht, „Glaubt bitte trotzdem nicht, dass ich es nicht mehr draufhabe! Ihr habt die Jugend, ich hab die Glock! Ihr habt das Kalzium in den Knochen, ich hab das Blei in den Spritzen, also sucht es euch bitte aus!“
    In der sicheren Deckung seiner Trutzburg am Erlebnispark fühlt sich der Biermösel nämlich noch immer unverwundbar.
    „Ihr könnt mich nicht ausräuchern, nicht aushungern, nicht ewig belagern! Ich bin bis oben hin eingedeckt mit Schmalzbroten! Und austrocknen werde ich auch nicht, der Osterbock wird bis Weihnachten reichen!“
    Und dann ein Blick in die fernere Zukunft:
    „Ihr werdet schon über eure versauten Betragensnoten im Abschlusszeugnis weinen, da werde ich noch immer da herinnen sitzen, Kruzifixnocheinmal, die weiße Fahne werdet ihr von mir nicht sehen!“
    Als der Biermösel aber einen vorsichtigen Blick hinaus in die Gegenwart riskiert, sieht er gar keine Rotzbuben mehr, denen ist nämlich ein bisserl fad geworden mit ihm. Er sieht da unten nur noch die Zwillinge von der Anni, die an ihren Händen in Richtung Bruchbude vom Pfarrer Hein huschen. Wie von einem bösen Zauber geleitet folgen sie dem unrhythmischen Donnern der Glocken. Gleich den Agenten im Nebel rennen sie gebückt neben der Anni her, anstatt ihm ein Ständchen zu singen, und das tut ihm dann im Herzen noch mehr weh als das U-Hakerl von den Rotzbuben im Arsch, „Aua!“
    Das kann ja jetzt wohl nur an der sich ändernden Wetterlage liegen, Kruzifix!, versucht der Biermösel ruhig zu bleiben und den davonschwimmenden Fellen erst gar nicht nachzuhüpfen. Woran soll es denn sonst liegen, dass die Anni in ihrer grauen Kommunistische-Putzfrauen-Tracht auf einmal in Richtung Bruchbude vom Pfarrer Hein huscht, in der doch sonst nur die Goldhaubenweiber herumknien.
    „Anni!“, schreit er ihr gegen den immer stärker werdenden Wind nach, „tu es nicht! Gib sie nicht in seine knochigen, kalten, schlecht durchbluteten Studienrathände. Einer, der so wenig isst, kann kein Guter sein!“
    Und außerdem:
    „Was soll denn der Pfarrer Hein können, was ich nicht auch kann!“
    „Der Pfarrer kann Sünden vergeben“, schreit die Anni gegen den Föhn zu ihm herüber. „Und er kann Seelen heilen und ganze Ablässe erteilen, das hat er jedenfalls gesagt, wie ich ihn gefragt habe, und kosten tut es auch nichts!“
    Na, wenn du dich da nicht täuschst!, denkt sich der Biermösel sofort. Die Bruchbude braucht schließlich ein neues Dach, seit ein gewisser Landgendarm ihm eine Schindel nach der anderen herunterballert und der alljährliche Föhn den Rest erledigt.
    „Geh Anni!“, schreit er ihr hinterher und zündet seine vermeintlich stärkste Waffe. „Ablässe kann doch jeder erteilen! Ich aber kann aus der Hüfte heraus schießen!“
    Das aber interessiert die Anni nicht mehr. Sie hat ihren Kittel längst hinaufgezogen und ist mit den Zwillingen vor ihm davongerannt.
    Einsam und schwerst lädiert, schutzlos und ausgeliefert, liegt der Biermösel dann in seinem eigenen Blut

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