Schenk mir mehr als diese Nacht
würde, wie er inzwischen wusste, auch Jacob kommen, weshalb Sebastian entschlossen war, einen wichtigen Termin als Entschuldigung für sein Fernbleiben vorzuschieben. Obwohl er nichts dagegen gehabt hätte, seine anderen Geschwister wiederzusehen.
Um nicht ständig an Aneesa oder die verflixte Hochzeit denken zu müssen, beschloss Sebastian, sich eine neue Geliebte zu suchen. Seit Mumbai hatte er mit keiner Frau mehr geschlafen und versuchte sich einzureden, dass es nicht daran lag, dass Aneesa ihn für alle anderen Frauen verdorben hatte.
Denn das war nun wahrlich ein lächerlicher Gedanke!
Mit einem bitteren Geschmack im Mund sagte Sebastian sich, dass er immerhin der Sohn seines Vaters war. Und damit trug er auch dessen kranke und unkontrollierbare Gene in sich. William Wolfe hatte sich nie nur mit einer Frau begnügen können. Warum sollte er besser sein?
Entschlossen tippte er die Nummer einer besonders anhänglichen Beauty in sein Handy, die er vor wenigen Wochen auf einer Party kennengelernt hatte. Bisher war er nicht an ihr interessiert gewesen, doch das würde er nun ändern!
Eingeschüchtert von dem eleganten Understatement und der atemberaubenden Aussicht saß Aneesa in Sebastians Londoner Büro und spielte nervös mit ihren Fingern. Ihr Magen zog sich vor Aufregung zusammen, und bei dem Gedanken, was noch in ihrem Bauch war, musste sie hysterisch kichern: ein Baby.
Sebastians Baby …
Was für eine Ironie des Schicksals, in der geplatzten Hochzeitsnacht von einem Mann schwanger zu werden, der nicht der Bräutigam war!
Inzwischen wusste Aneesa bereits eine ganze Weile, dass sie schwanger war, und in dieser Zeit war zwischen ihr und dem winzigen Wesen ein unsichtbares Band entstanden. Was immer geschehen mochte, sie würde das Kind behalten, so viel stand jedenfalls fest. Dass diese Entscheidung zugleich das Ende ihrer Bollywoodkarriere bedeutete, empfand sie absolut nicht als dramatisch.
Nach der Nacht mit Sebastian war ohnehin nichts mehr wie zuvor.
Seit sie von der Schwangerschaft erfahren hatte, stand Aneesas Entschluss fest, Sebastian zu kontaktieren. Anfangs hatte sie es vergeblich im Grand Wolfe versucht, wo man sie informierte, dass Mr Wolfe in absehbarer Zeit nicht erwartet würde. Deshalb war sie kurz entschlossen nach London geflogen und saß jetzt hier.
Als sie ein Geräusch von draußen hörte, zuckte Aneesa nervös zusammen – und gleich noch ein zweites Mal, als die dunkle Stimme erklang, die sie in den letzten Wochen bis in ihre Träume verfolgt hatte.
Die Tür flog auf, und Sebastian stürmte förmlich ins Büro. Zuerst bemerkte er Aneesa gar nicht, weil das Sofa auf dem sie saß, halb von der offenen Tür verborgen wurde. Doch als diese mit einem Knall zufiel, nahm Aneesa ihren ganzen Mut zusammen.
„Sebastian …“
Die sanfte Stimme mit dem leicht heiseren Unterton und dem schwachen Akzent ließ ihn herumwirbeln. Ist es möglich, dass meine wilden Tagträume plötzlich Gestalt annehmen?
Sebastian sah aus, als hätte er einen Fausthieb direkt auf den Solarplexus bekommen. Einen schrecklichen Moment befürchtete Aneesa, er würde sie gar nicht erkennen. Doch noch bevor sie etwas sagen konnte, hatte er sich schon wieder gefangen.
„Wie bist du diesmal reingekommen?“, wollte er wissen. „Wieder im Personalaufzug?“
Sie biss sich auf die Unterlippe. Was für ein denkbar schlechter Start, dachte sie beklommen, ließ sich aber nicht anmerken, wie sehr er sie mit dieser Bemerkung getroffen hatte. „Nein, der Mann vom Sicherheitsdienst hat mich zufällig erkannt. Und als ich ihm gesagt habe, dass ich mit dir sprechen will, hat er mich hierhergebracht. Da niemand hier war, hat er mir erlaubt, im Büro auf dich zu warten.“
Hoffentlich bekam der indische Angestellte jetzt ihretwegen keinen Ärger! Der Gedanke war ihr bisher noch gar nicht gekommen.
Mit jedem Wort entspannte sich Sebastian sichtbar, was auch Aneesas Nervosität etwas minderte. Mit einer fahrigen Geste fuhr er sich durch das dunkle Haar, das länger war, als sie es in Erinnerung hatte. Neben seinem wachsamen Blick fielen ihr heute auch winzige Fältchen um Mund und Augen auf, die sie bei ihrer ersten Begegnung nicht bemerkt hatte. Außerdem hatte er abgenommen.
„Verzeih, wenn ich unhöflich war“, murmelte er. „Es ist nur so … es war wirklich ein kleiner Schock, dich so unerwartet hier sitzen zu sehen.“ Selbst jetzt mochte er seinen Augen kaum trauen. Ist sie vielleicht doch nur eine Fata
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