Schenk mir mehr als diese Nacht
ihr nach dem Skandal und der anschließenden Pressekonferenz quasi auf dem Silbertablett angeboten hatte.
Zu Aneesas Erstaunen und unendlicher Erleichterung hatte sich ihr Publikum nicht wie befürchtet entsetzt von ihr abgewandt, sondern ihr die Treue gehalten. Die Strategie ihres Agenten war aufgegangen.
Dass sie die reumütige Sünderin gespielt hatte, die nicht gut genug für einen Filmhelden wie Jamal war, entsprach zu hundert Prozent den Erwartungen der typischen Bollywoodfans. Ihr Auftritt bei der Pressekonferenz hatte wie eine Szene aus einem der melodramatischen Machwerke gewirkt und Aneesa sozusagen in die Rolle der romantischen Märtyrerin gedrängt.
Begeistert und fasziniert von dem Ausdruck tiefen Leids auf ihrem zarten Gesicht, schlug sich das geneigte Publikum auf ihre Seite und entzog Jamal damit sein sorgfältig errichtetes Podest. Schließlich musste er sich sogar so weit demütigen, dass er Aneesa offiziell dafür dankte, dass sie die Hochzeit in letzter Sekunde verhindert hatte, nur damit er die Chance bekam, seine wahre Liebe zu finden.
Sie war die Einzige, die dabei den hasserfüllten Ausdruck in seinen Augen sah.
Dass sie kurz darauf, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, verkündete, die Schauspielerei aufzugeben, war nicht nur für ihren Agenten ein schwerer Schock.
Aneesa blickte aus dem Seitenfenster der Limousine und seufzte. Seit der Nacht mit Sebastian war sie nicht mehr dieselbe. Etwas Fundamentales hatte sich in ihr verändert. Und plötzlich wusste sie nicht mehr, wie ihre Zukunft aussehen sollte. Nur eines wusste sie: dass sie nicht in Aneesa Adanis künstliche Bollywoodwelt zurückkehren wollte.
Glücklicherweise machte der Chauffeur keine Anstalten, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Während Mumbais prachtvolle und farbenfrohe Kulisse an ihr vorüberzog, hing Aneesa ihren Träumen nach, die ausschließlich um Sebastian kreisten. Sie konnte ihn einfach nicht vergessen. Nachts wachte sie voller Sehnsucht nach seinen Berührungen und heißen Küssen auf, und tagsüber sah sie immer und überall sein markantes Gesicht mit den gletscherblauen Augen vor sich.
Sie dachte an sein Lächeln und an sein unglaubliches Angebot, sie für ihre entgangene Hochzeitsnacht zu entschädigen.
Ständig hatte sie sich gefragt, ob Sebastian verheiratet war und ihre gemeinsame Nacht nur eine willkommene Abwechslung zum normalen Ehealltag für ihn gewesen war. Oder ob es sich bei ihm um einen notorischen Verführer mit etlichen Affären handelte.
Eine Antwort bekam sie, nachdem sie heute Morgen zufällig sein Bild in der Mumbai- Times entdeckt hatte. Jetzt wusste sie zumindest, dass er mit vollem Namen Sebastian Wolfe hieß und dass ihm das Mumbai Grand Wolfe Hotel gehörte.
Und plötzlich wanderten alle losen Puzzleteile an den richtigen Platz.
Darum hatte er also im Hintergrund der Hochzeitszeremonie beigewohnt, darum residierte er in der besten Hotelsuite und konnte ihr mit einem Fingerschnipsen eine völlig neue Garderobe herbeischaffen. Ganz zu schweigen von dem Wagen mit Chauffeur, der am Hinterausgang auf sie gewartet hatte.
Bevor sie das Filmstudio verlassen hatte, hatte Aneesa noch im Internet recherchiert, um weitere Informationen über Sebastian Wolfe zu bekommen. Inzwischen wusste sie auch, dass er nicht verheiratet war, sich aber gern und häufig mit den schönsten Frauen der Welt umgab.
Außerdem gehörten ihm neben dem hiesigen Grand Wolfe und einer Privatinsel vor der südamerikanischen Küste noch eine Reihe weiterer Luxushotels rund um den Globus. Sebastian Wolfe stammte aus einer alteingesessenen englischen Familie mit skandalträchtiger Vergangenheit. Er, seine sechs Brüder und die einzige Schwester hatten dem ehrwürdigen Familienstammsitz in Buckinghamshire schon vor geraumer Zeit den Rücken gekehrt.
Viel mehr hatte sie nicht gefunden, außer der speziellen Erwähnung von Sebastians jüngerem Bruder Nathaniel, der ein berühmter Hollywoodschauspieler war und gerade erst den begehrten Sapphire Screen Award gewonnen hatte.
Dafür wurde zu Aneesas großem Unbehagen umso mehr über Sebastians weibliche Eroberungen berichtet und spekuliert. Laut Pressemeldungen stammten sie aus der ganzen Welt und teilten sein Bett, wann immer es ihn danach verlangte. Trotzdem wurde keine von ihnen mehr als ein, zwei Mal an seiner Seite gesehen.
Seufzend sah Aneesa auf ihre Hände, auf denen die letzten Spuren der verblassten Hennatattoos endlich für immer verschwunden waren. So wie
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