Schenk mir nur eine Nacht
selbst bestimmt hatte, öffentlich verkünden. Und er würde endlich beweisen, dass er sich nicht manipulieren ließ.
Doch dazu brauchte er Shontelles Einverständnis. Würde sie ihm überhaupt zuhören? Würde sie einsehen, dass es auch für sie die gerechte Lösung wäre? Nein, sie würde sicher erklären, sie wolle mit ihm und seiner Familie nichts mehr zu tun haben, nach allem, was zwischen ihnen gewesen war. Dennoch war es einen Versuch wert. Vielleicht würde Shontelle ihn danach wieder in einem anderen Licht sehen, ihn wieder achten und lieben können. Und vielleicht würde ihr klar werden, dass er frei war, sie zu lieben.
12. KAPITEL
Ohne weitere Zwischenfälle gelangten sie nach Caracollo, wo sie Rast machten.
"In zwanzig Minuten fahren wir weiter", verkündete Alan.
"Gehen Sie bitte nicht zu weit weg. Shontelle und ich halten Kaffee, Kuchen und Erfrischungsgetränke für Sie bereit."
Die Leute stiegen aus, sie wirkten erleichtert und zufrieden.
Shontelle war dankbar für die Gelegenheit, sich ablenken und Alan helfen zu können. Doch zu ihrer Enttäuschung bot Luis auch seine Hilfe an und blieb in ihrer Nähe. Shontelle sah ihn die ganze Zeit nicht an, weil sie genau wusste, wie sehr seine Blicke sie irritierten. Sie fühlte sich auch so schön angespannt genug, denn sie merkte natürlich, dass er sie beobachtete.
Vielleicht hat er gespürt, wie unerwünscht er hier ist, dachte sie, als er schließlich sein Handy hervorzog und sich vom Bus entfernte, um ungestört zu telefonieren. Shontelle versuchte, sich selbst zu überzeugen, dass es sie nicht interessierte, wen er anrief. Für sie gab es sowieso keinen Platz mehr in seinem Leben. Was er machte, ging sie nichts mehr an.
"Bist du okay?" fragte Alan.
"Ja", erwiderte sie kurz angebunden.
"Ich habe meine Meinung über Luis geändert, Shontelle. Es tut mir Leid, dass ich ihm vieles unterstellt habe, was gar nicht stimmt."
"Mach dir deswegen keine Gedanken. Wir alle haben Fehler gemacht und uns in vielen Punkten geirrt."
"Habt ihr alles klären können?"
"Ja."
"Und?"
"Nichts. Unsere Wege haben sich getrennt."
Alan runzelte die Stirn, die Antwort gefiel ihm nicht. Er wurde jedoch abgelenkt. Er musste sich um die Leute kümmern, die zum Bus zurückkamen.
Die nächste Pause wollten sie in Cochabamba einlegen. Von da sollte es ohne Halt weitergehen durch die Tiefebene bis nach Santa Cruz, wo sie am frühen Abend eintreffen wollten. Alan hatte dort telefonisch Hotelzimmer reserviert und den Flug nach Buenos Aires für den nächsten Morgen gebucht. Wenn alles wie geplant verlief, würden sie noch am selben Tag nach Australien fliegen. Aber in Südamerika konnte man nie sicher sein, ob alles so klappte, wie man es sich wünschte. Man konnte es nur hoffen.
Ein heftiger Regenschauer könnte die Straßen unpassierbar machen und den Verkehr stundenlang lahm legen. Manchmal wurden Flüge einfach annulliert, oder sie waren verspätet, ohne dass man eine Erklärung dafür erhielt. Während ihres Aufenthalts in Rio hatte es plötzlich irgendwo eine Schießerei gegeben, und sie hatten viele Umwege fahren müssen. Dann waren sie in La Paz in die politischen Unruhen geraten. Dieses Problem hatten sie glücklicherweise gelöst. Aber wer konnte schon sagen, Was sonst noch alles passierte?
Andererseits war dieser Kontinent faszinierend und ungemein reizvoll. Es gab unendlich viel zu sehen und zu bewundern. Da waren zum Beispiel La Paz mit dem herrlichen Moon Valley, die historische Inkastadt Cuzco und die verlassene Stadt Machu Pichu, in der eine seltsam unwirkliche, irgendwie unheimliche Atmosphäre herrschte. Weitere Sehenswürdigkeiten waren die Iguazu Falls, gigantische Wasserfälle, das Ehrfurcht gebietende Amazonastal, Rio mit dem Zuckerhut und der riesigen Christusstatue und nicht zuletzt Buenos Aires - wo Luis und seine Familie lebten.
Shontelle versuchte, den Schmerz, den sie plötzlich empfand, zu ignorieren.
Auch wenn unterwegs kleine oder größere Schwierigkeiten auftauchten, waren die Reisen, die Alan organisierte und leitete, immer ein großartiges, unvergessliches Erlebnis. Ganz besonders diese, dachte Shontelle und verzog leicht die Lippen, während die Leute wieder in den Bus stiegen. Dann schlug sie ihrem Bruder vor, bis zur nächsten Pause selbst Reiseleiterin zu spielen und die Landschaft und Ortschaften, durch die sie fuhren, übers Mikrofon zu erklären.
"Das lenkt sie ab, und sie langweilen sich nicht", versuchte sie ihren Bruder zu
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