Schenk mir nur eine Nacht
überzeugen. In Wirklichkeit wollte sie nur nicht wieder neben Luis sitzen.
Zu ihrer Überraschung antwortete Alan: "Nein, lass mich das machen. Luis löst mich ab, er will den Bus bis nach Cochabamba fahren. Es geht schneller und ist auch sicherer, wenn wir uns gegenseitig abwechseln und uns zwischendurch ausruhen können."
Demnach ist die Sache für Luis wohl endgültig erledigt. Es musste ja so kommen, überlegte Shontelle, als sie weiterfuhren.
Da Luis nicht mehr neben ihr saß, hätte sie sich entspannen können. Es gelang ihr jedoch nicht. Statt dessen ertappte sie sich dabei, dass sie ihn viel zu oft betrachtete und sich wünschte, sie könnte seine Gedanken erraten.
Verzweiflung breitete sich in ihr aus, sie war plötzlich sehr deprimiert. Immer wieder ging ihr Luis' Vorwurf, sie sei herzlos, illoyal und misstrauisch, durch den Sinn, bis sie Kopfschmerzen bekam. Schließlich schmerzte nicht nur ihr Kopf, sondern ihr ganzer Körper. Es stimmte, sie konnte nicht abstreiten, dass sie nicht fest genug an ihn und seine Liebe zu ihr geglaubt hatte.
Statt dessen hatte sie seiner Mutter und Christina geglaubt, zwei Frauen, die sie gerade erst kennen gelernt hatte und die ihr fremd waren. Luis hatte Recht. Warum hatte sie nicht auf ihr Herz gehört?
Leider gab es gegen den Schmerz, den sie empfand, kein Heilmittel. Nichts und niemand konnte ihr helfen.
Rechtzeitig zum Lunch kamen sie in Cochabamba an. Luis entfernte sich sogleich von der Gruppe und fing wieder an zu telefonieren. Wahrscheinlich muss er sich um seine Geschäfte kümmern, dachte Shontelle, während sie mit Alan die Leute in ein Selbstbedienungsrestaurant dirigierte. Nach dem Lunch ging es weiter.
Die nächste Etappe der Reise führte sie durch eine malerische Landschaft. Wieder schlug Shontelle ihrem Bruder vor, die Ansage zu übernehmen, weil er jetzt wieder am Steuer sitzen würde.
"Nein, lieber nicht. Nach dem Essen wollen die meisten sicher ein bisschen schlafen", wandte er ein. "Später, wenn sie unruhig werden, können wir sie unterhalten."
Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich in ihr Schicksal zu ergeben. Als Luis sich neben sie setzte, rückte sie so weit wie möglich ans Fenster und machte sich auf stundenlanges angespanntes Schweigen gefasst.
"Shontelle, ich möchte mich für mein Benehmen letzte Nacht entschuldigen. Akzeptierst du die Entschuldigung?" fragte er jedoch plötzlich zu ihrer Überraschung.
Sie sah ihn prüfend an, weil seine Stimme so eindringlich klang. Er erwiderte ihren Blick. Dabei leuchtete es in seinen Augen rätselhaft auf, gar nicht verächtlich oder spöttisch, wie Shontelle es eher erwartet hätte. Seine Miene wirkte angespannt und ernst. Plötzlich bekam sie Herzklopfen. Hatte sie sich getäuscht? War für ihn die Beziehung doch noch nicht beendet?
"Wir haben beide Fehler gemacht, Luis", erwiderte sie steif.
"Auch mir tut es Leid, dass ich dich verletzt habe."
Er lächelte reumütig. "Eine einfache Entschuldigung genügt nicht, stimmt's?"
Sie schüttelte den Kopf. "Es ist zu viel passiert."
"Ja", gab er zu.
Wenigstens darüber sind wir uns einig, dachte sie und versank wieder ganz in sich selbst, in ihren Schmerz und der Verzweiflung.
"Meine Mutter gibt heute Abend einen großen Empfang", erklärte er nach kurzem Schweigen. "Unter den Gästen sind die prominentesten Persönlichkeiten Argentiniens. Auch die Gallardos werden erscheinen, vollzählig, wie ich vermute."
O nein, warum muss er ausgerechnet seine Familie
erwähnen? fragte sie sich deprimiert.
"Es wäre mir eine Ehre", fuhr er fort, "wenn du mich als meine Partnerin auf diese Veranstaltung begleiten würdest, Shontelle."
Sie glaubte, sich verhört zu haben. Das meinte er doch nicht ernst, oder? Entweder träume ich, oder er hat den Verstand verloren, schoss es ihr durch den Kopf. Aber Luis blickte sie ernst und eindringlich an.
"Warum?" stieß sie schließlich hervor. Ehe sie auf diesen Vorschlag einging, wollte sie wissen, was dahinter steckte und was er damit bezweckte.
Er verzog die Lippen zu einem kleinen, geheimnisvollen Lächeln. "Vielleicht gelingt es mir, dich für alles zu entschädigen, was ich dir angetan habe."
"Wie stellst du dir das denn vor?" rief sie verblüfft aus.
"Vor zwei Jahren habe ich dich unabsichtlich und ohne es zu merken so behandelt, als wärst du nicht wichtig genug für mich", antwortete er ruhig. "Das war ein großer Fehler, den ich gern korrigieren möchte. Ich wäre sehr stolz, wenn ich dich meiner
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