Schenk mir nur eine Nacht
vertrieben hatte. Seine Mutter war dafür verantwortlich, dass er auf seine große Liebe verzichten musste.
Was Shontelle ihm in der vergangenen Nacht gesagt hatte, klang jetzt plausibel. Wenn er vor lauter Verbitterung nicht so blind gewesen wäre, hätte ihm auffallen müssen, wie überzeugt sie gewesen war, er sei verheiratet. Und vielleicht hätte er dann die richtigen und entscheidenden Fragen gestellt und herausgefunden, was sie meinte.
Er gestand sich ein, dass er viel zu unsensibel gewesen war und keine Ahnung gehabt hatte, was in ihr vorging. Der Schaden war vor zwei Jahren angerichtet worden, und alte Wunden heilten nicht plötzlich auf wundersame Weise ganz von selbst.
Aber die, die für die Verletzungen verantwortlich waren, würden dafür bezahlen. Dafür würde er sorgen.
Die so unterwürfig wirkende Christina mit ihrer perfekten Eleganz und ihrem kühlen Charme war in Wirklichkeit hemmungslos machtbesessen. Ihre Ambitionen auf eine Heirat mit ihm würde sie aufgeben müssen. Sie konnte alles vergessen, was sie sich von dieser Ehe versprochen hatte. Diese hinterhältige kleine Hexe hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, ihr Gift verspritzt. Luis sah sie geradezu vor sich, wie sie beim Lunch mit Shontelle geziert und vornehm jeden Bissen mit der Gabel zum Mund geführt und so süß gelächelt hatte wie immer, während sie Shontelle mit ihren scheinbar so harmlosen Bemerkungen zutiefst verletzt hatte. Ausgerechnet Christina, die von Liebe und Gefühlen keine Ahnung hatte.
Sein Herz krampfte sich zusammen, als er daran dachte, wie viel Liebe, Wärme und Herzlichkeit Shontelle ihm gegeben hatte.
Vergiss es, mahnte er sich sogleich. Er musste darüber hinwegkommen und sich erst einmal um andere Dinge
kümmern, zum Beispiel um seine Mutter.
Wenn Eduardo noch da wäre, würde alles ganz anders aussehen. Nach seinem Verschwinden hatte seine Mutter sich verändert, sie wurde mit ihrem Schmerz nicht fertig. Nicht einmal der Tod seines Vaters hatte sie so tief getroffen.
Vielleicht lag es an der Ungewissheit, die über das Schicksal seines Bruders herrschte. Niemand wusste, was mit Eduardo passiert war. Man hatte seinen Leichnam nie gefunden.
Danach hatte seine Mutter angefangen, alles zu kontrollieren.
Je größer ihr Vermögen wurde und je mehr Macht sie besaß, desto herrschsüchtiger wurde sie. Jemanden zu lieben war ihrer Meinung nach eine Schwäche, die einen viel zu verletzlich machte und die man sich deswegen nicht leisten durfte. Auf Liebe konnte man verzichten. Viel besser war es, das, was man besaß, eisern festzuhalten und nichts zu riskieren. Deshalb vermied sie jedes Risiko und baute Mauern um sich her und um ihre Familie herum auf, die beinah unüberwindlich waren. Und sie war ständig auf der Hut.
Natürlich hätte seine Mutter es nie so ausgedrückt, aber darauf lief es letztlich hinaus. Luis hatte sich jahrelang vergeblich dagegen aufgelehnt. Sie hatte ihm sein Erbe, das eigentlich Eduardos hätte sein sollen, wie einen Mühlstein um den Hals gehängt. Jedenfalls kam es ihm so vor. Mit ihr darüber zu sprechen war sinnlos, denn sie ließ keine andere Meinung außer ihrer eigenen zu. In gewisser Weise verstand er sogar, weshalb sie so handelte, und er war bereit gewesen, ihr zu helfen. Sie hatte Angst vor der Leere in ihrem Dasein. Doch dass sie Shontelle so rücksichtslos und so erfolgreich aus seinem Leben vertrieben hatte, war zu viel.
Er nahm sich vor, ihr eine Lektion zu erteilen, damit sie endlich aufhörte, sich in sein Leben einzumischen. Wenn sie begriff, was sie getan hatte, und ein für alle Mal einsah, dass er nicht mehr bereit war, es hinzunehmen, würde sie sich vielleicht ändern. Er konnte das Problem nicht dadurch lösen, dass er sie aus seinem Leben ausschloss, denn sie würde Mittel und Wege finden, an ihn heranzukommen. Am besten stellte er sie vor vollendete Tatsachen.
Aber wie sollte er das machen? Mit dem, was er am liebsten tun würde, wäre Shontelle nicht einverstanden, das war ihm klar. Wahrscheinlich wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass er sie endlich in Ruhe ließ. Sie wollte bestimmt nichts mehr mit ihm zu tun haben.
Dennoch gefiel ihm die Idee, die ihm nicht mehr aus dem Kopf ging, ausgesprochen gut. Es wäre ausgleichende Gerechtigkeit, und es würde keine raffinierten Schachzüge mehr geben können. Und niemand würde hinter Luis' Rücken intrigieren können. Die Entscheidung wäre endgültig, er würde sie in dem Rahmen, den seine Mutter
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