Schenk mir nur eine Nacht
hast mir verschwiegen, um was es geht." Shontelle konnte es nicht fassen, dass er sie benutzt hatte.
"Hat Christina etwa auf dich Rücksicht genommen? Hat meine Mutter uns beide gewähren lassen?" fragte er zornig. "Du hast versprochen, zu mir zu halten", fuhr er leidenschaftlich
"fort. "Kann ich mich jetzt darauf verlassen oder nicht?"
Sein Blick wirkte so gequält, dass Shontelle schwach wurde.
Ihre Bedenken verflogen. Sie war nicht unschuldig daran, dass das Täuschungsmanöver seiner Mutter überhaupt hatte gelingen können. Und dieses Schuldgefühl nagte immer noch an ihr.
Doch man konnte eine Ungerechtigkeit nicht durch eine andere ausgleichen. Am schlimmsten war aber, dass er so getan hatte, als gäbe es zwischen ihm und Christina keine Verbindung.
"Du hast denselben Fehler noch einmal gemacht, Luis. Du hast mir wieder etwas verheimlicht", warf sie ihm vor. Er sollte nicht glauben, sie würde es einfach hinnehmen.
"Sollen etwa die Lügen und Intrigen von damals noch belohnt werden, indem ich mich mit der Frau verloben lasse, die daran mitgewirkt hat?" fragte er.
Na ja, vielleicht konnte man es auch so sehen. Jedenfalls machte die bevorstehende Verlobung mit Christina die ganze Sache ziemlich kompliziert. Hatte er Christina umworben, sie umarmt und geküsst?
"Hast du mit ihr geschlafen?" fragte Shontelle unvermittelt und blickte ihn gequält an.
"Du liebe Zeit!" rief Patricio empört aus. "Sie hat kein Recht..."
"Halt den Mund! Du hast hier kein Recht zu irgend etwas!"
unterbrach Luis ihn zornig. Dann wandte er sich an Shontelle.
"Ich habe noch nicht einmal das Verlangen gehabt, mit ihr zu schlafen", sagte er so entsetzt, dass sie es ihm glaubte.
"Zwischen Christina Gallardo und mir hat sich nie etwas abgespielt."
"Wie kann denn dann überhaupt eine Verlobung zu Stande kommen?"
"Nachdem du mich verlassen hattest, war es mir gleichgültig, wen ich heiratete. Meine Mutter wollte es unbedingt und Christina auch."
Ist es wirklich meine Schuld? überlegte Shontelle. Ging es hier überhaupt um Gerechtigkeit und nicht vielmehr um Rache?
"Luis, die Musik hat aufgehört", bemerkte Patricio besorgt.
"Shontelle ... muss ich allein gehen?" Luis sah sie so eindringlich an, als wollte er ihre Seele erforschen.
Sie war völlig durcheinander und wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Schließlich gab sie es auf, überhaupt noch etwas verstehen zu wollen. Wenn es ihm so viel bedeutete, dass sie ihn jetzt begleitete, dann wollte sie ihm den Gefallen tun, auch wenn er sie nur benutzte, um sich von der Bevormundung seiner Mutter zu befreien. Vielleicht würde sie sich danach nicht mehr so schuldig fühlen, weil sie ihm damals nicht vertraut hatte.
"Nein", erwiderte sie leise, "ich gehe mit dir."
Er atmete erleichtert aus, ehe er sie mit sich zog. Sie hörte, wie die Gäste ihnen folgten. Offenbar witterten sie eine Sensation, die sie sich nicht entgehen lassen wollten. Die Frau in Rot verursacht großen Wirbel, dachte Shontelle leicht belustigt und fühlte sich plötzlich ganz beschwingt.
Als sie um die Ecke der Galerie bogen und die Tür zum Ballsaal vor sich sahen, holte Patricio sie ein und begleitete sie.
Wie sie da Seite an Seite dem Ballsaal zustrebten, Shontelle zwischen den beiden Martinez-Brüdern, erregten sie allgemeines Aufsehen. Immer mehr Gäste beobachteten die Szene
aufmerksam und interessiert.
"Du solltest uns jetzt allein lassen, Patricio", riet Luis seinem Bruder.
"Nein."
"Das ist meine Angelegenheit."
"Ich weiß nicht, was dahinter steckt, Luis. Aber wenn die Rolle, die dir zugedacht war, jetzt frei wird, lasse ich mich nicht von unserer Mutter hineindrängen. Ich halte zu dir."
"Es ist wirklich ein sehr persönliche Sache, Patricio."
"Wenn wir gemeinsam auftreten, wirkt es noch
überzeugender."
"Eben wolltest du mich noch aufhalten. Du hast dich reichlich spät entschlossen."
"Aber nicht zu spät."
Shontelle hatte das Gefühl, von Luis und Patricio in eine Art Entscheidungskampf oder Machtkampf hineingezogen zu werden, der das Ende der mütterlichen Vorherrschaft bedeutete.
Und ich spiele dabei mit, herausgeputzt wie eine Prinzessin, und bin doch nur eitle Schachfigur, dachte sie. Nein, keine Schachfigur, sondern eher eine Waffe, so etwas wie ein Flammenschwert, das im Namen der Wahrheit und der
Gerechtigkeit geschwungen wird.
Am liebsten hätte sie laut gelacht. Aber sie beherrschte sich und lächelte nur vor sich hin. Sie fühlte sich heiter und sehr beschwingt. Der
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