Schenk mir nur eine Nacht
ernst nehmen muss, dachte Shontelle stolz. Sie wünschte, sie hätte ihm vor zwei Jahren die Chance gegeben, sich für sie einzusetzen und zu ihr zu halten. Ihr war jetzt völlig klar, dass er sich bei seiner Mutter durchgesetzt und für das gekämpft hätte, was für ihn das Kostbarste in seinem Leben war.
Plötzlich standen Tränen in ihren Augen. Sie war ja so dumm und naiv gewesen. Als sie jetzt Luis' Mutter ansah, die ihr so übel mitgespielt hatte, begriff Shontelle, dass sie allein gar keine Chance gehabt hätte, sich gegen diese Frau zu wehren. Sie hätte damals Luis' Hilfe gebraucht, der seiner Mutter gewachsen war.
Er hat mich gebeten, ihn zu begleiten und zu ihm zu halten, überlegte Shontelle. Fühlte er sich mit ihr an seiner Seite stärker? Rasch blinzelte sie die Tränen weg. Alle beobachteten sie und Elvira Rosa Martinez. Um die ihr peinliche Situation zu überspielen, unterhielt sie sich so betont fröhlich und angeregt mit den Gästen, die ihr am nächsten standen, als wäre überhaupt nichts passiert.
"Sie ist die Schwester eines Reiseunternehmers, mit dem Luis befreundet ist. Vermutlich sind sie sich in La Paz" begegnet und zusammen aus der Stadt herausgekommen. Wer weiß, wie es ihnen gelungen ist." So oder so ähnlich würde Elvira den Zwischenfall zu erklären versuchen, wie Shontelle sich gut vorstellen konnte.
Schließlich drehte Elvira sich zu ihrem Sohn um. Dabei blitzte es in ihren Augen herausfordernd auf. So leicht würde man ihre Pläne nicht durchkreuzen.
Shontelle versuchte, sich Mut zu machen. Ihr war klar, Elvira wusste genau, wie verletzlich sie war. Deshalb ist es um so wichtiger, dass ich keinerlei Schwäche zeige, mahnte Shontelle sich. Luis verließ sich darauf, dass sie bis zum Ende mitspielte.
Er und sein Bruder sollten stolz darauf sein, sich für sie eingesetzt zu haben. Sie rechnete damit, dass die Leute um sie her sie nach ihrem Auftreten beurteilen würde. Deshalb galt es, zu beweisen, was sie wert war.
"Hättest du das nicht erst mit mir unter vier Augen besprechen können, Luis?" fragte seine Mutter zornig.
"Was hast du denn vor zwei Jahren gemacht? Du hast vorsichtshalber erst gar nicht mit mir geredet, weder vorher noch nachher", antwortete er.
"Das geschah nur zu deinem Besten. Wenn du auch nur ein bisschen Verstand hättest, würdest du es begreifen."
"Zu meinem Besten wolltest du mich mit einer kalten, berechnenden Frau verheiraten. Vergiss es, Mutter."
"Nein. Ich werde nicht zulassen, dass du alles, wofür ich hart gearbeitet habe, einfach wegwirfst."
"Ich habe andere Vorstellungen vom Leben als du. Entweder akzeptierst du mich so, wie ich bin, oder du wirst mich verlieren. Und wen hast du dann noch?"
Sie blickte ihren jüngeren Sohn streng an. "Patricio ..."
"Nein", unterbrach er sie bestimmt. "Ich werde die Rolle nicht spielen, die du Luis zugedacht hattest. Die Belastung ist mir zu groß. Ich bin zufrieden mit meinem Leben", fügte er ruhig und fest hinzu.
Nachdem auch ihr jüngster Sohn sich ihren Plänen
widersetzte, musterte sie Shontelle verbittert und verächtlich.
"Diese Frau ... Wie kann sie es wert sein, dass du unser Leben zerstörst?"
"Dass ich unser Leben zerstöre?" wiederholte Luis spöttisch.
"Meinst du etwa, ich würde mein Leben zerstören, wenn ich mich aus dem Käfig befreie, in den du mich nach Eduardos Tod zu sperren versucht hast?"
Sie zuckte zusammen. "Wie kannst du es wagen ...?"
"Und wie kannst du es wagen, mir das Recht abzusprechen, über mein Leben selbst zu entscheiden?" warf er ihr empört und zornig an den Kopf.
"Sie ist ja noch nicht einmal eine Argentinierin!" entgegnete Elvira arrogant und mit stolzer Miene.
"Sie ist die Frau, die ich liebe, Mutter!"
Was sagte er da? Shontelle hatte das Gefühl, ihr Herz würde aufhören zu schlagen. Er liebte sie? Hatte sie richtig gehört?
Meinte Luis es ernst?
"Versuch doch mal, dich daran zu erinnern, wie sich das anfühlt", fuhr er leidenschaftlich fort. "Was für eine wahnsinnige Freude es in einem auslöst, Mutter, und wie aufregend es ist, jemanden zu lieben. Du hast ein Herz aus Stein, bist kalt und gefühllos geworden. Aber vielleicht weißt du noch, was du für meinen Vater und ganz besonders für Eduardo empfunden hast."
Sie wurde ganz blass. "Wie redest du mit mir!"
"Grab deine Gefühle aus. Nur ein einziges Mal noch. Wir sind auch deine Söhne, Patricio und ich!"
"Weil ihr es seid, habe ich alles getan, um euch zu beschützen", wandte sie ein.
"Wir
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