Schenkel, Andrea M
mein Zeichen. Rüdiger betritt den Raum hinter der Metalltür, es ist so ruhig, ich höre jeden seiner Schritte. Jetzt ist er unten an der Stiege. Ein Knarren der ersten Treppenstufe. Mir wird etwas mulmig. Reiß dich zusammen, es gibt nur noch ein Vorwärts, kein Zurück. Bei jedem seiner Schritte ächzt und stöhnt die Holztreppe. Dann eine Pause, wahrscheinlich ist er erschrocken über das Geräusch. Sieht sich um, wird vielleicht etwas unsicher.
»Rüdiger, ich bin hier oben. Ich warte auf dich.«
Das wirkt, er kommt hochgestapft. Zuerst erscheint sein Kopf. Fettige, zurückgekämmte Haare. Ich fühle mich total leicht, könnte die ganze Zeit grinsen und kichern. Hoffentlich vermassle ich es nicht.
Mühsam zwängt er sich durch die Falltür. Hoppla, auf der letzten Stufe scheint er zu straucheln, stolpert, fängt sich gerade noch. Ich halte mir die verbundene Hand vor den Mund. Bloß nicht laut losprusten!
Rüdiger dreht sich zu mir um. Auf seinem massigen Körper sitzt kein Menschenkopf. Er sieht aus wie ein fettes Schwein. Eine Wühlnase mitten im Gesicht! Neugierig und verwundert starre ich ihn an. Das darf doch wohl nicht wahr sein! Er geht auf mich zu, und während er näher kommt, verändert sich sein Kopf ständig. Er sieht mich aus zwei kleinen kugelrunden Schweinsäuglein an. Sein Unterkiefer schiebt sich nach vorne, er scheint zu grinsen und zwei mächtige Hauer werden sichtbar. Die kleinen Äuglein wandern unruhig hin und her, suchen das Zimmer ab. Suchen nach einem Rivalen.
»Da ist keiner, nur du und ich.«
Er schnüffelt in meine Richtung, seine Nackenhaare stellen sich auf. Mit wippenden Kopfbewegungen kommt er auf mich zu. Kommt immer näher. Schweine sehen schlecht, mit der Nase erschnüffeln und ertasten sie ihre Umgebung. Seine Nase ist direkt vor meinem Gesicht. Sie ist fast schwarz, glänzt feucht, ist ständig in Bewegung. Das Schwein atmet kräftig ein und gleich mit einem lauten Prusten wieder aus, widerwärtiger Aasgeruch umfängt mich.
Ich glaube, es ist sehr aufgeregt. Um das Tier zu beruhigen, fahre ich mit meiner dick gepolsterten Hand sanft über seine borstigen Nackenhaare. Die Haare im Nacken sehen aus wie dünner schwarzer Draht. Ich kann die Borsten durch den dicken Verband nicht fühlen, ich sehe nur, dass die aufgestellten Haare unter dem Druck meiner Hand kaum nachgeben.
Seine kleinen Äuglein funkeln mich an. Es schnaubt. Die dolchartig gebogenen Hauer sind viel zu groß für das Maul. Sie schieben die Oberlippe nach oben. Es sieht aus, als würde das Schwein die Zähne fletschen.
Ich habe Angst vor dem Tier. Das Schwein schnaubt mehrfach hintereinander aus. Es greift mich an. Ich wehre es, so gut es geht, ab. Es starrt mich wütend an. Ich kann mich vor lauter Angst nicht bewegen. Verdammt, wo zum Teufel bleibt Hans? Das Tier hält inne, belauert mich. Dann wirft es sich mit seinem massigen Körper gegen den Tisch, der fliegt zur Seite und landet krachend am Schrank.
Es baut sich vor mir auf, wird größer, überragt mich um mehr als einen Kopf. Ich stehe immer noch da, kann nur auf seine großen Hauer starren. Er hat Schaum vor dem Maul. Ein schleimiger Speichelfaden hängt herunter, wird langsam länger, löst sich und schnalzt zu Boden. Die Zeit scheint stillzustehen.
Ich gehe vorsichtig einen kleinen Schritt zurück. Das Schwein legt den Kopf leicht zur Seite. Ich muss weg, schnell weg von dieser Bestie. Noch ein Schritt zurück. Das Bett steht direkt hinter mir, ich stoße dagegen, kann mich nicht mehr halten, stürze der Länge nach auf die Matratze.
Das Schwein stürzt sich auf mich. Ich schließe die Augen, spüre das Gewicht auf mir, den heißen Atem in meinem Nacken. Der feuchte Sabber tropft auf meine Wange, läuft auf meine Lippen.
Ich kann mich kaum mehr bewegen, eine Zentnerlast liegt auf mir. Ich drehe meinen Kopf zur Seite, mache die Augen auf. Hans’ Kopf erscheint in der Öffnung der Falltür. Ich schnappe nach Luft, der Körper liegt so schwer auf mir. Ich brülle, so laut es geht: »Tu was, das Schwein vergewaltigt mich!«
Der Kopf verschwindet wieder.
»Nein, nein, das kannst du nicht machen. Hilf mir, stich das Schwein ab!«
Das Schwein versucht, meine Schenkel auseinanderzudrücken. Ich presse mit aller Kraft dagegen, spanne meine Pobacken an. Ich will das nicht. Er darf das nicht tun, er ist ein Tier, er darf das nicht.
Sabber rinnt meinen Hals entlang, auf meine Brust. Ich spüre die feuchte Schnauze überall in meinem Gesicht, in
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