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Schenkel, Andrea M

Schenkel, Andrea M

Titel: Schenkel, Andrea M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bunker
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der gar nichts.
    »Also gut, geboren bin ich in Naila, aufgewachsen überall und nirgends. Halbwaise, Heimkind, Vater Zuchthäusler und Säufer. Zufrieden?«
    Auf einmal ist sie ganz still, noch bleicher. Hält den Kopf gesenkt, sieht auf ihre verbundenen Hände.
    Ich schaue auf meine verbundenen Hände. Alles schwirrt in meinem Kopf. Ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen. Mein Herz rast. Bleib ruhig, versuch jetzt, ganz ruhig zu bleiben.
    »Warum warst du in meiner Wohnung?«
    »Ich hab dich beobachtet.«
    Verzieht er bei dem Satz das Gesicht zu einem leichten Lächeln?
    »Warum hast du das Bild von mir und meinem Bruder mitgehen lassen?«
    Er sieht mich an, das Lächeln ist verschwunden. Die Stimme ungeduldig, sichtlich genervt.
    »Der Kleine ist dein Bruder? Hab ich mir fast gedacht. Das Bild hat mich an etwas erinnert, deswegen!«
    Ich schließe die Augen. Alles schwarz, was nun? Denk nach! Er ist nicht Hans. Das wirft alles um. Der hat Joachim gar nicht gekannt, hatte nichts mit ihm zu tun. Ein Wildfremder. Ein Kidnapper. Ein Krimineller. Ein Mörder.
    Ich weiß, was ich zu tun habe.
    Ich friere, ich muss hier raus! Raus! Raus!
    Verdammt, verdammt, jammere hier nicht so herum! Erinnere dich! Erinnere dich! Ich schlage mir selbst mit der Hand ins Gesicht, schlage gegen meinen Kopf. Erinnere dich, als Vater seinen Luftschutzbunker baute. ›Luftschutzbunker‹ – lächerlich! Immer faselte er von dem Bunker. Als Kind hat er mir erzählt, er sei im Krieg verschüttet worden. Mit einer blechernen Tasse und bloßen Händen hätten sie sich aus den Trümmern herausgraben müssen. Ein Mann, der mit ihm und meiner Großmutter verschüttet worden sei, hätte ihnen geholfen.
    Mit jedem Erzählen veränderte er die Geschichte, aus dem alten Luftschutzwart wurde ein Soldat, aus dem Soldaten ein Einzelkämpfer, ein Held. Auch sein Anteil an der Geschichte wurde immer größer, immer heroischer. Er erzählte von dem gleißenden Licht, das ihnen entgegenstrahlte, als sie sich endlich freigegraben, mit den Händen freigegraben hatten. In meiner Fantasie konnte ich sie sehen, die blutigen Schwielen an den Händen, den Schmutz unter den Fingernägeln, den Schweiß.
    Erst viel später wurde mir klar, dass die Geschichte von vorne bis hinten erlogen war, wie die meisten seiner Geschichten. Er war im Mai 1945 noch keine drei Jahre alt, er konnte diese Geschichte nicht erlebt haben.
    Von dem Bunker sprach er trotzdem die ganze Zeit. Ein Schutzraum, Küche und Schlafzimmer. Mit den ausrangierten Möbeln aus unserer Wohnung.
    Bei der Wasserversorgung ließ er sich etwas einfallen. Wasser aus dem Brunnen hochpumpen war nicht das Problem, aber wohin mit dem Abwasser? Das Rohr mündete direkt unten in den Bach. Ich musste ihm beim Aushub helfen. Diese ›geniale Idee‹ führte zum Einbruch des Bachbettes und zur kompletten Überschwemmung des Schutzraumes, des Bunkers – er bestand auf dieser Bezeichnung. Wir brauchten Wochen, bis alles abgedichtet war. Das Bachbett erhielt eine dicke Betonwanne, die zu einem Großteil abgetragene Betonwand des Vorratsraums wurde mit Ziegeln geschlossen, der Raum dazwischen mit den zuvor im Keller gelagerten, alten, zum Großteil kaputten Dachschindeln verfüllt. Auf einen richtigen Abfluss, auch vom Klo, hat er dann verzichtet, ein größerer Hohlraum mit Kies unter der Küche sollte ausreichen. Im Ändern seiner Pläne war er immer groß. An einen echten Luftangriff glaubte er vermutlich nicht, die Sache mit dem Bunker war nur ein Vorwand. Er wollte ein Versteck zum Untertauchen, falls eines seiner vielen Geschäfte aufflog. Er hatte immer was nebenher laufen. Mal hatte er Geld im Überfluss, mal war er pleite. Immer auf der Suche nach dem großen Coup, dem dicken Fisch, dem Geschäft seines Lebens … Er handelte mit allem. Zigaretten am Zoll vorbei. War als falscher Gasableser, Zeitungswerber oder Versicherungsmakler unterwegs. Ein Loser, immer mit einem Bein im Knast. Luftschutzbunker, lächerlich!
    Das gleiche Fiasko mit der Luftversorgung. An der tüftelte er lange, keine Idee war Erfolg versprechend. Eine richtige Belüftung hätte viel Geld gekostet und das wollte er dafür nicht ausgeben. Schließlich entschied er sich dafür, die Kellertür immer einen Spalt offen stehen zu lassen. Die einfachsten Einfälle sind immer noch die besten, wird schon keiner auf die Idee kommen, in einer alten Mühle einen dunklen, glitschigen Kellergang hinabzusteigen. Tja, so war er, machte nichts

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