Scherben der Ehre
Krater? Den wird man aus der Luft kilometerweit sehen können.«
»Wollen Sie hier hocken und zwei Stöcke aneinanderreiben? Allerdings sollte ich wegen des Kraters etwas unternehmen.«
Er überlegte einen Augenblick, dann trottete er zum Flussufer hinab. Cordelia setzte sich neben Dubauer nieder, legte einen Arm um seine Schultern und machte vorsichtshalber einen Buckel.
Vorkosigan kam schnell wie der Wind über den Rand der Uferböschung gefegt und warf sich mit einer Rolle vorwärts auf den Boden. Es gab einen leuchtenden blauweißen Blitz und einen Knall, der den Boden erzittern ließ. Eine große Säule von Rauch, Staub und Dampf stieg in die Luft, und ein Regen von Kieselsteinen, loser Erde und Stücken von geschmolzenem Sand prasselte herab. Vorkosigan verschwand wieder über den Rand und kehrte kurz darauf mit einer hübsch brennenden Fackel zurück.
Cordelia ging, um sich den Schaden anzuschauen, den die Plasmabogenpatrone angerichtet hatte. Vorkosigan hatte die kurzgeschlossene Patrone etwa hundert Meter flussaufwärts platziert, am äußeren Rand einer Biegung, wo der schnelle kleine Fluss sich nach Osten wand. Die Explosion hatte einen imposanten Krater von etwa fünfzehn Meter Durchmesser und fünf Meter Tiefe hinterlassen, der noch rauchte und mit Glasschmelze gesäumt war. Während Cordelia noch schaute, nagte der Fluss den Rand des Kraters durch und strömte hinein. Dampf stieg auf.
In einer Stunde würde der Krater zu einem natürlich aussehenden Altwasser ausgehöhlt sein.
»Nicht schlecht«, murmelte sie anerkennend.
Als das Feuer zu einer Schicht glühender Kohlen herabgebrannt war, hatten sie Würfel von dunklem, rotem Fleisch zum Braten fertig.
»Wie wollen Sie die Ihren?«, fragte Vorkosigan. »Blutig? Medium?«
»Ich glaube, wir sollten sie lieber durchbraten«, riet Cordelia. »Wir hatten die Parasitenuntersuchung noch nicht abgeschlossen.«
Vorkosigan blickte auf seinen Würfel mit neuen Zweifeln.
»Aha. Ganz recht«, sagte er zaghaft.
Sie brieten das Fleisch ganz durch, dann setzten sie sich neben dem Feuer nieder und verzehrten das rauchende Fleisch in fröhlicher Barbarei. Selbst Dubauer gelang es, kleine Stücke allein zu essen. Es schmeckte nach Wild und war zäh, an der Außenseite verbrannt und mit einem bitteren Nebengeschmack, aber niemand schlug als Beilage Hafergrütze oder Blaukäsedressing vor.
Cordelia geriet in eine nachdenkliche Stimmung. Vorkosigans Uniform war schmutzig, feucht und mit getrocknetem Blut von der Zubereitung ihres Abendessens bespritzt, genau wie ihre eigene. Er hatte einen Dreitagesbart, sein Gesicht glänzte im Licht des Feuers von dem Fett des Sechsfüßlers, und er roch nach getrocknetem Schweiß. Sie hatte den Verdacht, dass sie – abgesehen von dem Bart – nicht besser aussah, und sie wusste, dass sie nicht besser roch. Sie stellte fest, dass sie auf beunruhigende Weise sich seines Körpers bewusst war, der muskulös, stämmig und atemberaubend männlich war und in ihr Empfindungen weckte, von denen sie dachte, sie hätte sie schon unterdrückt. Sie sollte besser an etwas anderes denken …
»Vom Raumfahrer zum Höhlenmenschen in drei Tagen«, überlegte sie laut. »Wie wir uns vorstellen, dass unsere Zivilisation in uns selbst ist, wo sie doch in Wirklichkeit in unseren Geräten steckt.«
Vorkosigan blickte mit einem schiefen Lächeln auf den sorgfältig gepflegten Dubauer. »Sie scheinen Ihre Zivilisation im Innern mit sich tragen zu können.«
Cordelia war froh, dass das Licht des Feuers nicht erkennen ließ, wie sie errötete. »Man tut seine Pflicht.«
»Manche Leute sehen ihre Pflicht elastischer. Oder – waren Sie in ihn verliebt?«
»In Dubauer? Lieber Himmel, nein! Ich vergreif’ mich doch nicht an kleinen Kindern! Er war jedoch ein guter Junge. Ich würde ihn gern zu seiner Familie heimbringen.«
»Haben Sie eine Familie?«
»Sicher. Meine Mutter und meinen Bruder, daheim auf Kolonie Beta. Mein Vater war auch beim Erkundungsdienst.«
»War er einer von denen, die nie zurückkehrten?«
»Nein, er starb bei einem Unfall in einem Shuttlehafen, keine zehn Kilometer von daheim entfernt. Er war im Urlaub zu Hause gewesen und hatte sich gerade wieder zum Dienst gemeldet.«
»Mein Beileid.«
»Ach, das war vor vielen Jahren.« Er wird ein bisschen persönlich, oder? dachte sie. Aber es war besser so, als wenn sie versuchen musste, eine militärische Vernehmung abzulenken. Sie hoffte inständig, dass nicht die Frage etwa
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