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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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durcheinander. Dunkelheit und Schweigen herrschten. Nur wenn sich jemand auf seinem Sitz bewegte, gab es ein leises Geräusch von Stoff auf Plastik. In ihrer Vorstellung spürte sie, wie die barrayaranischen Sonden ihr Schiff betasteten, sie betasteten, wie eisige Finger über ihren Rücken liefen. Ich bin ein Felsen. Ich bin Leere. Ich bin Schweigen … Im Hintergrund brach in das Schweigen ein Geräusch des Erbrechens und ein gedämpfter Fluch. Dieses verfluchte Taumeln! Hoffentlich hatte der Mann Zeit gehabt, nach einem Beutel zu greifen …
    Es gab einen Ruck und einen Druck von Gewicht aus einem ungewohnten Winkel. Parnell spie einen Fluch aus, der wie ein Schluchzen klang. »Im Schlepp eines Traktorstrahls! Das ist es.«
    Sie seufzte auf, ohne erleichtert zu sein, und griff nach den Tasten, um das Shuttle wieder zum Leben zu erwecken. Die plötzliche blendende Helligkeit der kleinen Lichter ließ sie zusammenzucken. »Also gut, schauen wir mal, wer uns da eingefangen hat.«
    Ihre Hände huschten über die Steuertafeln. Sie warf einen Blick auf ihre Außenmonitore und drückte hastig den roten Knopf zur Löschung der Computerspeicher des Rettungsbootes und der Erkennungscodes.
    »Was, zum Teufel, ist dort draußen?«, fragte der Ingenieur nervös; er hatte ihre Bewegung bemerkt, als er zu ihr kam.
    »Zwei Kreuzer und ein Schnellkurier«, informierte sie ihn. »Wir scheinen etwas in der Unterzahl zu sein.« Er gab ein deprimiertes Schnauben von sich.
    Aus dem Kommunikator plärrte eine körperlose Stimme. Viel zu laut.
    Cordelia drehte schnell leiser.
    »… nicht bereit sind, sich zu ergeben, werden wir Sie vernichten.«
    »Hier Rettungsboot Shuttle A5A«, antwortete sie und modulierte dabei ihre Stimme sorgfältig. »Unter dem Kommando von Captain Cordelia Naismith, Betanische Expeditionsstreitkräfte. Wir sind ein unbewaffnetes Rettungsboot.«
    Aus dem Kommunikator kam ein überraschtes ›Puh!‹ und die Stimme fügte hinzu: »Noch ein verdammtes Weib! Ihr lernt aber langsam.«
    Dann gab es ein unverständliches Gemurmel im Hintergrund, und die Stimme kehrte zu ihrem offiziellen Ton zurück: »Sie werden in Schlepp genommen. Beim ersten Zeichen von Widerstand werden Sie unter Feuer genommen. Verstanden?«
    »Bestätigt«, antwortete Cordelia. »Wir ergeben uns.« Parnell schüttelte ärgerlich den Kopf. Cordelia schaltete den Kommunikator ab und zog die Augenbrauen hoch.
    »Wir sollten versuchen auszubrechen, denke ich«, sagte er.
    »Nein. Diese Kerle sind Militärs, also professionelle Paranoiker. Der vernünftigste, den ich je traf, mochte es nicht, in einem Zimmer mit geschlossener Tür zu sein – weil man nie weiß, was auf der anderen Seite ist, behauptete er. Wenn die sagen, dass sie schießen, dann sollten Sie ihnen lieber glauben.«
    Parnell und der Ingenieur tauschten einen Blick. »Los, ’Nell«, sagte der Ingenieur »sag es ihr!«
    Parnell räusperte sich und befeuchtete die Lippen. »Wir wollten Sie wissen lassen, Captain – falls Sie denken … hm … es wäre das Beste für alle Beteiligten, das Rettungsboot hochgehen zu lassen, dass wir dann auf Ihrer Seite sind. Und niemand von uns freut sich darauf, gefangengenommen zu werden.«
    Cordelia blinzelte bei diesem Angebot. »Das ist – sehr tapfer von Ihnen, Leutnant, aber völlig unnötig. Schmeicheln Sie sich nicht selbst. Wir wurden nicht wegen unseres Wissens ausgewählt, sondern weil wir nichts wissen. Sie alle können nur Vermutungen über das anstellen, was an Bord dieses Konvois war und nicht einmal ich weiß irgendwelche technischen Einzelheiten. Wenn wir scheinbar kooperieren, haben wir wenigstens eine Chance, lebend davonzukommen.«
    »Es – war nicht die Preisgabe von Informationen, woran wir dachten, Madame. Es sind die anderen Sitten der Barrayaraner.«
    Ein unangenehmes Schweigen folgte. Cordelia seufzte; sie spürte einen Wirbel bitteren Zweifels. »Ist schon okay«, sagte sie schließlich. »Der Ruf der Barrayaraner ist irgendwie übertrieben. Einige von ihnen sind ganz anständige Burschen.« Besonders einer spotteten ihre Gedanken. Und selbst wenn du annimmst, dass er noch lebt, glaubst du wirklich, du könntest ihn in all dem Schlamassel finden? Oder wenn du ihn findest, kannst du ihn dann noch retten vor den Geschenken, die du selbst aus der Werkstatt des Teufels gebracht hast? Ohne deine Pflicht zu verraten? Oder ist dies ein geheimer Selbstmordpakt? Kennst du dich selbst überhaupt?
    Parnell, der ihr Gesicht

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