Scherben der Ehre
Sie entfernte sich und warf einen Blick in den Hauptkorridor als sie ihn überquerte. Ein paar Dutzend Männer waren darin versammelt. Ein Technikerteam hatte die Hälfte der Paneele von der Wand abgenommen; Funken sprühten von einem Instrument. Sie konnte gerade noch Sergeant Botharis Kopf auf der anderen Seite der Schar sehen und wusste, dass er neben Vorkosigan stand. Sie erreichte die Leiter am Ende des Korridors, stieg hinauf und begann zu laufen und sich Ebene um Ebene ihren Weg durch das Labyrinth des Schiffes zu suchen.
Lachend, weinend, atemlos und heftig zitternd kam sie im Korridor vor der Shuttleluke an. Dr. McIntyre stand Wache und versuchte dabei, grimmig und barrayaranisch auszusehen.
»Sind alle da?«
Er nickte und schaute sie erfreut an.
»Hinein und los!« Sie schlossen die Türen hinter sich und ließen sich dann auf ihre Sitze fallen, als das Shuttle sich mit einem Knirschen und einem Ruck unter maximaler Beschleunigung vom Schiff trennte. Pete Lightner steuerte manuell, denn sein betanisches neurologisches Pilotenimplantat passte ohne Übersetzungskoppler nicht zu dem barrayaranischen Steuersystem, und Cordelia machte sich auf einen fürchterlichen Flug gefasst.
Sie lehnte sich auf ihrem Sitz zurück, immer noch keuchend, die Lungen schmerzten noch von ihrem verrückten Sprint. Stuben kam zu ihr vor Empörung kochend, und schaute besorgt auf ihr unkontrollierbares Zittern.
»Es ist ein Verbrechen, was die mit Dubauer angestellt haben«, sagte er. »Ich wünschte, wir könnten ihr ganzes verdammtes Schiff hochgehen lassen. Wissen Sie, ob Radnov uns noch Deckung gibt?«
»Ihr Fernwaffen werden eine Weile außer Betrieb sein«, berichtete sie, war aber nicht bereit, Einzelheiten zu verraten. Würde sie es ihm je verständlich machen können? »Ach, noch was: wer war der Barrayaraner, der unten auf dem Planeten Disruptorfeuer abbekam?«
»Ich weiß nicht. Doktor Mac hat seine Uniform bekommen. Heh, Mac – wie heißt der Name auf deiner Tasche?«
»Ach, mal sehen, ob ich mit ihrem Alphabet zurechtkomme.« Seine Lippen bewegten sich schweigend. »Kou-Koudelka.«
Cordelia neigte ihren Kopf. »War er tot?«
»Er war nicht tot, als wir abhauten, aber er sah gewiss nicht sehr gut aus.«
»Was haben Sie eigentlich noch die ganze Zeit auf der General Vorkraft gemacht?«, fragte Stuben.
»Eine Schuld bezahlt. Eine Ehrenschuld.«
»In Ordnung, lassen wir’s dabei bewenden. Sie werden mir die Geschichte später erzählen.« Er schwieg, dann fügte er mit einem kurzen Nicken hinzu: »Ich hoffe, Sie haben den Mistkerl gut erwischt, wer immer es war.«
»Hören Sie, Stu – ich weiß alles zu schätzen, was Sie getan haben. Aber ich muss wirklich ein paar Minuten allein sein.«
»Sicherlich, Captain.« Er blickte sie besorgt an und entfernte sich dann. »Verdammte Monster«, murmelte er.
Cordelia lehnte ihre Stirn gegen das kalte Fenster und weinte stumm um ihre Feinde.
Kapitel 7
Captain Cordelia Naismith von den Betanischen Expeditionsstreitkräften gab die letzten normalen navigatorischen Beobachtungen in den Computer ihres Schiffes ein. Neben ihr regulierte Leutnant Parnell die Leitungen und Kanülen an seinem Pilotenhelm und richtete es sich auf seinem gepolsterten Sitz bequemer ein, bereit für die neurologische Steuerung des bevorstehenden Wurmlochsprungs.
Ihr neues Kommando war ein langsamer unbewaffneter Massenfrachter ein zuverlässiges Arbeitspferd der Handelslinie zwischen Kolonie Beta und Escobar. Doch jetzt hatte es schon sechzig Tage keine direkte Kommunikation mit Escobar mehr gegeben, seit die barrayaranische Invasionsflotte die escobaranische Seite des Ausgangs so wirkungsvoll zugestopft hatte wie eine Flasche mit einem Korken. Nach den letzten Meldungen manövrierten die Flotten der Barrayaraner und Escobaraner immer noch in einem feindseligen Tanz um taktische Positionen hin und her und hatten dabei nur wenig tatsächliche Kampfberührung. Die Barrayaraner würden ihre Bodentruppen nicht einsetzen, solange sie nicht die sichere Kontrolle über den escobaranischen Raum hatten.
Cordelia fragte über die Bordkommunikationsanlage im Maschinenraum an: »Hier Naismith. Seid ihr fertig da unten?«
Das Gesicht ihres Ingenieurs, eines Mannes, den sie erst vor zwei Tagen kennengelernt hatte, erschien auf dem Bildschirm. Er war jung und aus dem Erkundungsdienst abgezogen wie sie auch. Es war sinnlos, auf diesem Ausflug erfahrenes und kundiges Militärpersonal zu
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