Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
Vom Netzwerk:
ihres Schiffs zurück auf ihren bisherigen Weg. Ganz weit hinten am Ausgang des Wurmlochs tauchte der erste echte betarische Frachter auf und begann in Richtung Escobar zu beschleunigen, ohne dass sich ihm etwas entgegenstellte. Er gehörte zur neuesten Erweiterung der Handelsflotte und war aller Waffen und Schutzschilde entkleidet, statt dessen umgebaut für nur zwei aktuelle Aufgaben: möglichst viel Nutzlast zu transportieren und schnell wie der Teufel zu fliegen. Dann erschien der zweite Frachter und dann der dritte.
    Das war’s. Sie waren auf und davon, und die überraschten Barrayaraner hatten keinerlei Aussicht, sie noch einzuholen.
    Das betanische Kriegsschiff explodierte in einer spektakulären radioaktiven Light-Show. Leider gab es keine Möglichkeit, Trümmer vorzutäuschen. Ich wüsste gern, dachte Cordelia, wie lange die Barrayaraner brauchen, um herauszufinden, dass wir sie zum Narren gehalten haben? Ich hoffe echt, dass sie Sinn für Humor haben …
    Ihr Schiff flog jetzt antriebslos im Raum, seine Energievorräte waren nahezu erschöpft. Sie fühlte sich leicht im Kopf und erkannte, dass dies nicht psychosomatisch bedingt war. Die künstliche Schwerkraft ließ nach.
    Mit gazellengleichen Sprüngen, die in ein vogelähnliches Schweben übergingen, als die Schwerkraftanlage ihren Geist aufgab, bewegten sich Cordelia und Parnell zur Shuttleluke, wo sie sich mit dem Ingenieur und seinen beiden Assistenten trafen. Das Shuttle, das ihr Rettungsboot darstellte, war ein abgetakeltes Modell, eng und ohne Komfort. Sie schwebten hinein und schlossen die Luke. Der Pilot glitt in den Steuersessel und nahm seinen Pilotenhelm ab, dann löste sich das Shuttle von ihrem sterbenden Schiff.
    Der Ingenieur schwebte an ihre Seite und überreichte ihr eine kleine schwarze Box. »Ich dachte, Sie sollten die Ehre haben, Captain.«
    »Ha. Ich wette, Sie würden Ihr eigenes Dinner auch nicht verputzen«, erwiderte sie in dem Versuch, die Stimmung etwas aufzuheitern. Nur knapp fünf Stunden hatten sie mit diesem Schiff operiert, aber der endgültige Abschied tat trotzdem weh. »Sind wir außerhalb des Gefahrenbereichs, Parnell?«
    »Jawohl, Captain.«
    »Meine Herren«, sagte sie und hielt inne, um jeden von ihnen einzeln anzublicken. »Ich danke Ihnen allen. Richten Sie bitte ihren Blick weg vom linken Bullauge.« Sie zog den Hebel an der Box. Es gab einen lautlosen Blitz aus hellem blauem Licht. Danach stürzten alle sofort zu dem winzigen Bullauge, um noch das letzte rote Glühen zu sehen. Das Schiff brach in sich selbst zusammen und nahm seine militärischen Geheimnisse in ein wanderndes Grab.
    Sie schüttelten einander feierlich die Hände, die einen mit dem Kopf nach oben, andere den Kopf nach unten, einige schwebten in anderen Winkeln.
    Dann nahmen sie sichere Plätze ein. Cordelia zog sich an den Navigatorplatz neben Parnell, gurtete sich an und überprüfte schnell ihre Systeme.
    »Jetzt kommt der heikle Teil«, murmelte Parnell. »Mir wäre lieber wenn wir maximal beschleunigten und versuchten, ihnen zu entkommen.«
    »Wir könnten vielleicht diesen dicken Schlachtschiffen entkommen«, räumte Cordelia ein. »Aber ihre Schnellkuriere würden uns bei lebendigem Leib verspeisen. Wenigstens sehen wir wie ein Felsen aus«, fügte sie hinzu und dachte an die künstlerisch bemalte, sondenreflektierende Tarnung, die das Rettungsboot wie eine Schale umgab.
    Während einiger Minuten des Schweigens konzentrierte sich Cordelia auf ihre Arbeit. »Also gut«, sagte sie schließlich, »wollen wir uns mal aus dieser Gegend davonmachen. Hier wird es sehr bald recht voll werden.«
    Sie leistete keinen Widerstand gegen die Beschleunigung, sondern ließ sich von ihr in ihren Sitz zurückdrücken. Sie war müde. Sie hatte nicht geglaubt, dass ihre Müdigkeit stärker sein könnte als ihre Angst. Der Unsinn mit dem Krieg stellte eine bedeutende psychologische Erfahrung für sie dar. Dieses Chronometer musste falsch gehen. Sicherlich hatte das Ganze ein Jahr gedauert, nicht bloß eine Stunde …
    Auf ihrer Steuertafel blinkte ein kleines Licht. Mit einem Ruck spülte die Angst alle Müdigkeit wieder aus ihrem Leib.
    »Alles abschalten!«, befahl sie, drückte einige Steuerknöpfe und wurde sofort in gewichtslose Dunkelheit getaucht. »Parnell, sorgen Sie für ein bisschen realistisches Taumeln.« Ihr Innenohr und eine glitschige Übelkeit in ihrem Bauch zeigten ihr, dass ihr Befehl ausgeführt wurde.
    Jetzt geriet ihr Zeitsinn vollends

Weitere Kostenlose Bücher