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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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nicht aus, sich davon loszureißen.
    Als der Wächter der Mitleid mit ihr hatte, ein Armband festschnallte, flüsterte er leise, fast unhörbar in einer Art Seufzer: »Tut mir leid.«
    »Schon gut«, antwortete sie flüsternd. Sie blickten aneinander vorbei und verbargen so den geheimen Wortwechsel vor Vorrutyer, der die ganze Prozedur beobachtete.
    »Na, was denken Sie jetzt?«, murmelte der andere grinsend, während er das andere Band festschnallte. »Halt den Mund«, fuhr der erste dazwischen und warf ihm einen bösen Blick zu. Ein ungutes Schweigen herrschte in dem Raum, bis die Wachsoldaten sich zurückzogen.
    »Sieht wie eine Dauereinrichtung aus«, bemerkte sie zu Vorrutyer, auf schreckliche Weise fasziniert. Ihr war als sei aus einem üblen Scherz Realität geworden. »Was machen Sie, wenn Sie keine Betaner fangen können? Rufen Sie dann nach Freiwilligen?«
    Zwischen seinen Augen erschien kurz eine Falte, dann glättete sich seine Stirn wieder. »Nur weiter so!«, ermunterte er sie. »Das amüsiert mich. Es macht das Endergebnis um soviel pikanter.«
    Er lockerte seinen Uniformkragen, goss sich ein Glas Wein ein an einer tragbaren Bar die in der Ecke stand und bestimmt nicht den Dienstvorschriften entsprach, und setzte sich neben ihr auf das Bett, in der Pose eines gesprächigen Mannes, der einen kranken Freund besucht. Er tastete sie sorgfältig mit den Blicken ab, die schönen braunen Augen waren schon feucht vor Erwartung.
    Sie versuchte sich selber einzureden: vielleicht ist er nur ein Vergewaltiger. Vielleicht wäre es möglich, mit einem einfachen Vergewaltiger fertig zu werden. Solche offenen, kindlichen Seelen, kaum aggressiv. Sogar die Verdorbenheit verfügt über eine relative Skala …
    »Ich weiß keinerlei militärische Geheimnisse, die auch nur das Geringste wert wären«, wehrte sie ab. »Das ist wirklich nicht Ihre Zeit wert.«
    »Ich habe nicht angenommen, dass Sie irgend etwas wüssten«, erwiderte er leichthin. »Allerdings werden Sie ohne Zweifel in den nächsten paar Wochen darauf bestehen, mir alles zu erzählen, was Sie wissen. Für mich völlig langweilig, ich bin nicht im geringsten daran interessiert. Falls ich Ihre Informationen wünsche, dann kann sie mein medizinisches Team im Handumdrehen aus Ihnen herausholen.« Er nippte an seinem Wein. »Es ist jedoch komisch, dass Sie das Thema anschneiden – vielleicht werde ich Sie später doch noch zur Krankenstation schicken.«
    Ihr Magen krampfte sich zusammen. Närrin, schrie sie sich stumm an, hast du nicht gerade eine Chance kaputtgemacht, einem Verhör zu entgehen?
    Aber nein, das war wohl die Standardprozedur – er bearbeitet dich einfach.
    Raffiniert. Ruhig …
    Er trank wieder. »Wissen Sie, ich denke, ich werde es genießen, zur Abwechslung mal eine ältere Frau zu besteigen. Die jungen mögen ja hübsch ausschauen, aber mit ihnen ist es zu leicht. Kein Spaß. Ich kann schon jetzt sagen, dass Sie mir großen Spaß machen werden. Ein großer Sturz erfordert eine große Höhe, oder?«
    Sie seufzte und blickte zur Decke empor. »Nun ja, ich bin mir sicher es wird sehr lehrreich sein.« Sie versuchte sich zu erinnern, wie sie ihre Gedanken beim Sex mit ihrem früheren Liebhaber abgelenkt hatte, in den schlechten Zeiten, bevor sie ihn schließlich los wurde. Dies hier dürfte wohl nicht schlimmer sein …
    Vorrutyer lächelte, setzte seinen Wein auf einem Nachttisch ab und holte aus dessen Schublade ein kleines Messer scharf wie ein altmodisches Skalpell. Cordelia sah den juwelenbesetzten Griff funkeln, bevor Vorrutyers Hand ihn ihrem Blick entzog. Der Barrayaraner begann in dem orangefarbenen Pyjama ziemlich wirr herumzuschneiden und ihn von ihr abzuziehen, wie die Schale von einer Frucht.
    »Ist das nicht Regierungseigentum?«, fragte sie, aber sie bereute es, gesprochen zu haben, denn ein Zittern in ihrer Stimme machte das Wort ›Eigentum‹ ziemlich piepsig. Es war wie wenn man einem hungrigen Hund einen Leckerbissen anbietet: er wird dann nur noch höher springen.
    Er lachte befriedigt in sich hinein. »Hoppla!« Absichtlich ließ er das Messer ausgleiten. Es drang gut einen Zentimeter in ihren Schenkel. Er beobachtete gierig ihr Gesicht nach einer Reaktion. Die Wunde lag in dem empfindungslosen Bereich; sie konnte nicht einmal das feuchte Sickern des Blutes spüren, das daraus hervorquoll. Seine Augen verengten sich vor Enttäuschung. Sie zwang sich dazu, nicht nach unten zu blicken, und wünschte sich, sie hätte mehr über

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