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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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beobachtete, schüttelte grimmig den Kopf. »Sind Sie sicher?«
    »Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemanden umgebracht. Ich fange nicht mit Leuten auf meiner eigenen Seite an, um Himmels willen!«
    Parnell erkannte dieses Argument mit einem leichten spöttischen Achselzucken an und konnte dabei nicht ganz verbergen, dass er eigentlich erleichtert war. »Auf jeden Fall habe ich etwas, wofür ich leben muss. Dieser Krieg kann nicht ewig dauern.«
    »Jemand zu Hause?«, fragte er und als ihr Blick sich den Anzeigen der Sonden zuwandte, fügte er einsichtig an: »Oder dort draußen?«
    »Ach ja. Irgendwo dort draußen.«
    Er schüttelte voller Mitgefühl den Kopf. »Das ist hart.« Er betrachtete ihr regloses Profil und fügte ermutigend hinzu: »Aber Sie haben recht. Die Großmächte werden diese Mistkerle früher oder später vom Himmel fegen.«
    Sie machte sich Luft in einem kleinen, mechanischen »Ha!« und massierte ihr Gesicht mit den Fingerspitzen: ein Versuch, die Spannung loszuwerden. Sie hatte plötzlich eine Vision von einem großen Kriegsschiff, das aufgerissen war und seine lebendigen Eingeweide ausspie wie eine monströse Samenschote. Erstarrte, unfruchtbare Samen, die ohne Wind dahintrieben, aufgedunsen vom Druckabfall, ewig um die eigene Achse rotierend. Konnte man danach noch ein Gesicht erkennen?
    Sie drehte ihren Stuhl halb von Parnell weg, um auf diese Weise anzuzeigen, dass das Gespräch beendet war.
    Ein barrayaranischer Schnellkurier nahm sie binnen einer Stunde auf.
    Ihr schlug ein vertrauter Geruch entgegen, der an Metall, Maschinenöl, Ozon und Umkleideraum erinnernde Geruch eines barrayaranischen Kriegsschiffs. Die beiden großen Soldaten in Schwarz, die sie eskortierten, indem jeder von ihnen einen ihrer Ellbogen festhielt, manövrierten sie durch einen letzten engen ovalen Durchgang zu dem Hauptgefängnisbereich des großen Flaggschiffs. Sie und ihre vier Männer wurden rücksichtslos entkleidet, eingehend und fast paranoid detailliert gefilzt, medizinisch untersucht und holographiert. Dann machte man einen Retinascan, identifizierte sie und steckte sie in formlose gelbe Pyjamas.
    Ihre Männer wurden getrennt abgeführt. Trotz ihrer Worte zu Parnell wurde ihr übel vor Angst, dass sie jetzt Schicht um Schicht nach Informationen ausgequetscht würden, die sie nicht hatten. Diesmal wohl auf sanfte Art, argumentierte ihre Vernunft; sicherlich würden die Barrayaraner sie für einen Gefangenenaustausch aufheben.
    Die Wachen nahmen Haltung an. Als Cordelia sich umwandte, sah sie, wie ein hochrangiger barrayaranischer Offizier den Raum betrat. Das helle Gelb der Kragenabzeichen an seiner dunkelgrünen Uniform zeigte einen Rang, den sie bisher noch nicht gesehen hatte, und mit einem Schock erkannte sie die Farbe eines Vizeadmirals. Als sie wusste, was er war wusste sie sofort, wer er war und betrachtete ihn mit ernstem Interesse.
    Er hieß Vorrutyer. Zusammen mit Kronprinz Serg war er Befehlshaber der barrayaranischen Armada. Cordelia nahm an, dass er derjenige war der die wirkliche Arbeit machte; sie hatte gehört, dass er als nächster Kriegsminister von Barrayar vorgesehen war. So sah also ein aufgehender Stern aus.
    Irgendwie war er Vorkosigan ein bisschen ähnlich: etwas größer ungefähr gleich schwer, aber der Anteil von Knochen und Muskeln an seinem Gewicht war geringer, dafür hatte er mehr Fett. Er hatte auch dunkles Haar lockiger als das von Vorkosigan und mit weniger grauen Strähnen, war von etwa dem gleichen Alter und sah eher besser aus. Seine Augen waren ganz anders, ein tiefes, samtiges Braun umrahmt von langen schwarzen Wimpern, bei weitem die schönsten Augen, die sie je im Gesicht eines Mannes gesehen hatte. Diese Augen weckten tief in ihrem Gemüt eine leise, unterschwellige Stimme, die klagte: du hast gedacht, du wärest heute schon einmal der Angst ausgesetzt gewesen, aber das war eine Täuschung; jetzt kommt die wahre Angst, Angst ohne Trost und Hoffnung. Das war seltsam, denn diese Augen hätten sie eigentlich anziehen sollen. Sie brach den Augenkontakt ab und sagte sich ruhig, an dem Unbehagen und der sofortigen Abneigung seien nur ihre Nerven schuld.
    »Identifizieren Sie sich, Betanerin«, knurrte er. Sie hatte eine wirre Empfindung von déjà vu.
    Sie rang um ihr inneres Gleichgewicht, salutierte schneidig und sagte forsch: »Captain Cordelia Naismith, Betanische Expeditionsstreitkräfte. Wir sind eine militärische Einheit. Kombattanten.« Natürlich konnte er

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