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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Naismith?«, fragte Vorrutyer sarkastisch. »Oder sind Ihnen endlich die Worte ausgegangen?«
    Sie starrte auf Bothari und wurde von einem Mitleid geschüttelt, das fast wie Liebe war. Er schien sich nahezu in Trance zu befinden, Lust ohne Vergnügen, Erwartung ohne Hoffnung. Armer Kerl, dachte sie, wie übel hat man dir mitgespielt. Jetzt kam es ihr nicht länger darauf an, Punkte zu sammeln; sie suchte in ihrem Herzen nach Worten, nicht für Vorrutyer, sondern für Bothari. Einige heilende Worte – ich möchte nichts zu seinem Wahnsinn beitragen … Die Luft in dem Raum erschien ihr klamm und kalt; sie zitterte und fühlte sich unaussprechlich müde, widerstandslos und traurig. Er beugte sich über sie, schwer und dunkel wie Blei. Das Bett knarrte.
    »Ich glaube«, sagte sie schließlich langsam, »dass die Gefolterten Gott sehr nahe sind. Es tut mir leid, Sergeant.«
    Sein Gesicht knapp zwei Handlängen von ihr entfernt. Er starrte sie so lange an, dass sie sich fragte, ob er sie überhaupt gehört hatte. Sein Atem war nicht gut, aber sie zuckte nicht zurück. Dann stand er zu ihrer Überraschung, auf und machte seine Hosen wieder zu; dabei zitterte er leicht.
    »Nein, Sir«, sagte er in seinem monotonen Bass.
    »Was?« Vorrutyer setzte sich überrascht auf. »Warum nicht?«, wollte er wissen.
    Der Sergeant suchte nach Worten. »Sie ist Kommodore Vorkosigans Gefangene, Sir.«
    Vorrutyer blickte sie an, war zuerst verwundert, dann begriff er. »Also Sie sind Vorkosigans Betanerin?« Bei diesem Namen verflog sein kühles Amüsement mit einem Zischen, wie ein Tropfen Wasser auf rotglühendem Eisen.
    Vorkosigans Betanerin? Eine kurze Hoffnung flackerte in ihr auf, dass Vorkosigans Name vielleicht ein Losungswort für Sicherheit wäre, aber sie erstarb wieder. Die Chance, dass diese Kreatur auf irgendeine Weise ein Freund von Vorkosigan wäre, war sicher gleich Null. Jetzt schaute er sie nicht an, sondern durch sie hindurch, wie durch ein Fenster auf eine herrlichere Szenerie. Vorkosigans Betanerin?
    »Jetzt hab ich diesen halsstarrigen puritanischen Mistkerl ganz in der Hand«, keuchte er wild. »Das ist vielleicht noch besser als an dem Tag, wo ich ihm von seiner Frau erzählte.« Der Ausdruck auf seinem Gesicht war seltsam und erschreckend, die Maske der Höflichkeit schien zu schmelzen und stückweise herabzugleiten.
    »Wissen Sie, Sie haben mich ganz überwältigt. Die Möglichkeiten, die Sie bieten – achtzehn Jahre waren nicht zu lang, um auf eine solche Rache zu warten. Ein weiblicher Soldat. Ha! Er dachte wahrscheinlich, Sie seien die ideale Lösung für unsere gegenseitigen – Schwierigkeiten. Mein vollkommener Krieger mein lieber Heuchler Aral. Ich wette, Sie müssen noch viel über ihn lernen. Aber wissen Sie, ich bin mir irgendwie ganz sicher dass er Ihnen gegenüber mich nie erwähnt hat.«
    »Nicht dem Namen nach«, pflichtete sie ihm bei. »Möglicherweise der Kategorie nach.«
    »Und welche Kategorie war das?«
    »Ich glaube, der Begriff, den er benutzte, war ›Abschaum der Streitkräfte‹.«
    Er grinste säuerlich. »Ich würde einer Frau in Ihrer Situation nicht empfehlen, jemanden zu beschimpfen.«
    »Oh, Sie machen sich diese Kategorie also zu eigen?« Ihre Antwort war automatisch, aber ihr Herz krampfte sich in ihr zusammen und hinterließ eine tönende Leere. Was tat Vorkosigan im Zentrum des Wahnsinns dieses Mannes? Seine Augen sahen jetzt aus wie die von Bothari …
    Sein Lächeln wurde krampfhaft. »Ich habe mir eine Vielzahl von Dingen in meinem Leben zu eigen gemacht. Nicht das geringste davon war Ihr puritanischer Liebhaber. Lassen Sie Ihre Phantasie mal eine Weile damit spielen, meine Liebe, meine Süße, mein Schätzchen. Sie würden es kaum glauben, wenn Sie ihn jetzt treffen, aber er war ein ziemlich lustiger Witwer bevor er sich so irritierenderweise diesen unberechenbaren Ausbrüchen von Rechtschaffenheit hingab.« Er lachte.
    »Ihre Haut ist sehr weiß. Hat er sie berührt – so?« Er fuhr mit einem Fingernagel an der Innenseite ihres Arms entlang, und sie schauderte.
    »Und Ihr Haar. Ich bin ganz sicher er muss von diesem sich ringelnden Haar fasziniert sein. So fein, und so eine ungewöhnliche Farbe.« Er drehte eine Strähne sanft zwischen seinen Fingen. »Ich muss daran denken, was man mit diesem Haar machen kann. Man könnte natürlich den Skalp ganz entfernen, aber es muss noch etwas Kreativeres geben. Vielleicht nehme ich ein bisschen mit mir und hole es heraus und

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