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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Trancezustände gelernt.
    »Ich werde Sie heute nicht vergewaltigen«, brachte er im Plauderton vor »falls es das ist, was Sie gedacht haben.«
    »Es war mir schon in den Sinn gekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich darauf kam.«
    »Dafür ist kaum Zeit«, erklärte er. »Heute ist, wie die Dinge liegen, nur das Hors d’œuvre des Banketts, oder eine einfache klare Suppe, nach Hausmacherart. All die komplizierten Dinge werden für den Nachtisch in ein paar Wochen aufgehoben.«
    »Ich esse nie Nachtisch. Mein Gewicht, wissen Sie.«
    Er gluckste wieder.
    »Sie machen mir Spaß.« Er legte das Messer weg und nahm einen weiteren Schluck Wein. »Wissen Sie, Offiziere delegieren immer ihre Arbeit. Nun, ich bin ein Liebhaber der Geschichte der Erde. Mein bevorzugtes Jahrhundert ist das achtzehnte.«
    »Ich hätte auf das vierzehnte getippt. Oder das zwanzigste.«
    »Noch ein, zwei Tage, und ich werde Ihnen beigebracht haben, mich nicht zu unterbrechen. Wo war ich? Ach ja. Nun, bei meiner Lektüre stieß ich auf die entzückendste Szene, wo eine gewisse große Lady« – er toastete ihr mit dem Weinglas zu – »von einem erkrankten Diener vergewaltigt wurde, auf Befehl seines Herrn. Sehr pikant. Geschlechtskrankheiten sind leider eine Sache der Vergangenheit. Aber ich habe die Möglichkeit, einen erkrankten Diener zu befehligen, wenn auch seine Krankheit eher mental als physisch ist. Ein echter zuverlässiger paranoider Schizophrener.«
    »Wie der Herr, so das Gescherr«, versetzte sie aufs Geratewohl. Ich kann das nicht mehr lange mitmachen; mein Herz bleibt gleich stehen …
    Sie erntete ein ziemlich saures Lächeln. »Er hört Stimmen, wissen Sie, wie Johanna von Orleans, außer dass er mir sagt, es seien Dämonen, keine Heiligen. Er hat bei Gelegenheit auch visuelle Halluzinationen. Und er ist ein sehr großer Mann. Ich habe ihn schon zuvor oft benutzt. Er ist nicht die Art von Kerl, die es leicht findet … hm … Frauen für sich zu gewinnen.«
    Gerade zur richtigen Zeit klopfte es an der Tür und Vorrutyer ging, um zu öffnen. »Ah, kommen Sie herein, Sergeant. Ich habe gerade von Ihnen gesprochen.«
    »Bothari«, flüsterte Cordelia. Den Kopf mit dem vertrauten Barsoi-Gesicht gebeugt, kam Vorkosigans langer Kerl durch die Tür. Wie, wie kam er in ihren persönlichen Alptraum? Ein Kaleidoskop von Bildern wirbelte in ihrer Erinnerung: ein schattiger Waldrand, das Knistern von Disruptoren, die Gesichter der Toten und der Halbtoten, eine Gestalt, die aufragte wie der Schatten des Todes.
    Sie konzentrierte sich auf die gegenwärtige Realität. Würde er sie erkennen? Sein Blick hatte sie noch nicht erreicht, er war auf Vorrutyer gerichtet. Seine Augen lagen zu eng beieinander und befanden sich nicht ganz auf derselben Höhe. Das gab seinem Gesicht eine ungewöhnliche Asymmetrie und trug viel zu seiner bemerkenswerten Hässlichkeit bei.
    Ihre aufgewühlte Phantasie richtete sich plötzlich auf seinen Körper. Sein Körper – irgend etwas stimmte nicht damit, er wirkte buckelig in seiner schwarzen Uniform, ganz anders als die aufrechte Gestalt, die sie zuletzt gesehen hatte, als Bothari von Vorkosigan den ersten Platz in der Kampfaufstellung forderte. Irgend etwas war falsch, falsch, schrecklich falsch. Er war einen Kopf größer als Vorrutyer, aber er schien vor seinem Herrn unterwürfig zu kriechen. Sein Rückgrat war vor Spannung gebeugt, während er finster auf den Admiral herabblickte. War der etwa sein – Folterer? Was, fragte sich Cordelia, mochte ein Seelenschänder wie Vorrutyer machen mit dem Rohmaterial, das sich in Bothari anbot? O Gott, Vorrutyer, bilden Sie sich in Ihrer unmoralischen, protzigen Verrücktheit, in Ihrer monströsen Eitelkeit ein, dass Sie diesen Elementargeist beherrschen? Und Sie wagen es, mit diesem düsteren Wahnsinn in seinen Augen Ihr Spiel zu treiben? Ihre Gedanken hielten Schritt mit ihrem rasenden Puls. Es gibt zwei Opfer in diesem Raum. Es gibt zwei Opfer in diesem Raum. Es gibt zwei …
    »Da, schauen Sie, Sergeant.« Vorrutyer zeigte mit dem Daumen über seine Schulter auf Cordelia, die ausgestreckt auf dem Bett lag. »Vergewaltigen Sie mir diese Frau.« Er holte sich einen Stuhl her und bereitete sich darauf vor alles schadenfroh aus der Nähe zu beobachten. »Los, los!«
    Bothari, dessen Gesicht ausdruckslos war wie immer öffnete seine Hosen und näherte sich dem Fußende des Bettes. Jetzt schaute er sie zum ersten Mal an. »Irgendwelche letzten Worte, ›Captain‹

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