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Scherben der Ehre

Scherben der Ehre

Titel: Scherben der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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kommen.«
    Illyan erlöste sie endlich und brachte sie zum Schiffsgefängnis. Die Atmosphäre dort hatte sich geändert, stellte Cordelia fest. Die Wachen blickten sie nicht mehr so an wie zuvor; tatsächlich schienen sie zu versuchen, ihrem Blick auszuweichen. Die Prozeduren waren immer noch sachlich und effizient, aber gedämpft, sehr gedämpft. Sie erkannte ein Gesicht: der Wachsoldat, der Mitleid mit ihr gezeigt hatte, als er sie zu Vorrutyers Unterkunft eskortierte, schien jetzt die Leitung zu haben; ein Paar neuer roter Leutnantsabzeichen war hastig und schief an seinen Kragen gesteckt. Sie hatte für den Gang nach unten wieder Vorrutyers Arbeitsuniform angezogen. Diesmal durfte sie allein sein, als sie sich in den orangefarbenen Pyjama umkleidete. Sie wurde dann in eine Dauerzelle geführt, nicht in einen Haftbereich.
    In der Zelle gab es noch eine andere Insassin, eine junge escobaranische Frau von außerordentlicher Schönheit, die auf ihrem Bett lag und die Wand anstarrte. Sie blickte nicht auf, als Cordelia eintrat, und antwortete auch nicht auf ihren Gruß. Nach einiger Zeit kam ein barrayaranisches medizinisches Team und nahm sie mit. Sie stand wortlos auf, aber an der Tür begann sie sich zu wehren. Auf ein Zeichen des Arztes hin sedierte ein Sanitäter sie mit einer Ampulle, die Cordelia zu erkennen glaubte, und einen Augenblick später wurde sie bewusstlos hinausgetragen.
    Der Doktor von dem Cordelia aufgrund seines Alters und Ranges annahm, dass er der Stabsarzt war blieb noch etwas, um sich um ihre Rippen zu kümmern. Danach wurde sie alleingelassen. Nur die periodische Lieferung der Rationen half ihr die Zeit zu messen. Gelegentliche Veränderungen der schwachen Geräusche und der Vibrationen, die durch die Wände der Zelle drangen, boten Anhaltspunkte für Vermutungen darüber was draußen geschehen mochte.
    Etwa acht Rationen später als Cordelia gerade gelangweilt und deprimiert auf ihrem Bett lag, gingen die Lichter aus. Sie gingen wieder an, wurden aber fast sofort wieder dunkel.
    »Aaah«, stöhnte sie, als ihr Magen ins Bodenlose zu fallen schien und sie nach oben zu schweben begann. Sie griff hastig nach ihrem Bett und hielt sich daran fest. Ihre Voraussicht wurde einen Moment später belohnt, als sie mit etwa 3 Ge wieder auf ihr Bett gedrückt wurde. Die Lichter flackerten wieder an und aus, und ein weiteres Mal war sie gewichtslos.
    »Plasmaangriff«, murmelte sie vor sich hin. »Die Schilde müssen überlastet sein.«
    Ein fürchterlicher Stoß erschütterte das Schiff. Cordelia wurde aus ihrem Bett durch die Zelle geschleudert, in totale Finsternis, Gewichtslosigkeit, Schweigen. Ein direkter Treffer! Sie prallte von der gegenüberliegenden Wand ab, fuchtelte auf der Suche nach einem Halt herum, knallte mit einem Ellbogen schmerzhaft an – eine Wand? den Boden? die Decke? Sie rotierte mitten in der Luft und schrie auf. Feuer unserer Verbündeten, dachte sie hysterisch – gleich werde ich vom Feuer unserer Verbündeten umgebracht. Das perfekte Ende meiner militärischen Karriere … Sie biss die Zähne aufeinander und lauschte mit grimmiger Konzentration.
    Es war zu still. Hatten sie Luft verloren? Sie hatte eine grässliche Vision von sich selbst als der einzigen Überlebenden, gefangen in dieser schwarzen Kiste und zum Schweben verurteilt, bis entweder langsames Ersticken oder langsames Erfrieren ihr Leben auslöschen würde. Die Zelle wäre ihr Sarg; erst Monate später würde eine Bergungsmannschaft ihn öffnen …
    Und, noch schrecklicher: war vielleicht die Brücke getroffen? Das Nervenzentrum, wo sich Vorkosigan sicherlich aufhielt und worauf die Escobaraner bestimmt ihr Feuer konzentrierten – war er von fliegenden Trümmern zerschmettert, im Nu im Vakuum erfroren, im Plasmafeuer verbrannt, eingeklemmt irgendwo zwischen zermalmten Decks?
    Endlich fanden ihre Finger eine feste Fläche und suchten nach einem Halt. Es war eine Ecke, gut. Sie stützte sich darein, auf den Boden gekauert, ihr Atem ging in unregelmäßigen, keuchenden Zügen, die wie Feuer schmerzten.
    Cordelia wusste nicht, wie viel Zeit in dieser höllischen Finsternis verging. Ihre Arme und Beine zitterten von den Bemühungen, sich an Ort und Stelle festzuklammern. Dann stöhnte das Schiff auf, und die Lichter waren wieder da.
    Oh, zum Teufel, dachte sie, das ist ja die Decke.
    Die Schwerkraft kehrte zurück und ließ sie auf den Boden stürzen. Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihren linken Arm, dann war er taub.

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