Scherben der Ehre
Bodensoldaten auf Escobar zurückgelassen. Das macht Sie ziemlich wertvoll, wenn wir versuchen müssen, Sie im Verhältnis von mehr als zehn zu eins auszutauschen.«
Das Gefangenenshuttle war ein fensterloses Raumfahrzeug. Cordelia teilte sie mit nur zwei anderen Leuten: einem ihrer eigenen Ingenieurassistenten und dem schwarzhaarigen escobaranischen Mädchen, das in ihrer Zelle gewesen war. Ihr Techniker war erpicht darauf, Geschichten auszutauschen, obwohl er nicht viel zu erzählen hatte. Er war die ganze Zeit in einer Zelle eingesperrt gewesen, mit seinen anderen drei Schiffskameraden, die man schon tags zuvor auf den Planeten hinabgebracht hatte.
Die schöne Escobaranerin, eine junge Offiziersanwärterin, war gefangengenommen worden, als ihr Schiff vor mehr als zwei Monaten beim Kampf um den Wurmlochsprung nach Kolonie Beta kampfunfähig gemacht wurde. Sie hatte noch weniger zu erzählen. »Ich muss irgendwann mein Zeitgefühl verloren haben«, sagte sie unsicher.
»Das ist nicht schwer in dieser Zelle, wenn man niemanden sieht. Ich weiß nur, dass ich gestern auf der Krankenstation aufgewacht bin und mich nicht erinnern konnte, wie ich dahin gekommen war.«
Und wenn dieser Arzt so gut ist, wie es den Anschein hat, dann werden Sie es auch nie erfahren, dachte Cordelia. »Erinnern Sie sich an Admiral Vorrutyer?«
»An wen?«
»Ach, spielt keine Rolle.«
Das Shuttle landete schließlich, und die Luke wurde geöffnet. Ein Strahl Sonnenlicht kam herein, und ein Hauch duftender Sommerluft – süße grüne Luft, die ihr plötzlich bewusst machte, dass sie tagelang nur muffige Luft geatmet hatten.
»Mensch! Wo sind wir denn hier überhaupt?«, sagte der Techniker beeindruckt, als er, von den Wachen angetrieben, durch die Luke trat. »Es ist so schön.« Cordelia folgte ihm und lachte bitter auf, da sie den Ort sofort erkannte.
Das Gefangenenlager bestand aus drei Reihen barrayaranischer Feldunterkünfte, hässlichen grauen Halbzylindern, und lag unter einem türkisfarbenen Himmel auf dem Grund eines mehrere Kilometer weiten Amphitheaters aus trockenem Waldland. Es war ein dunstiger, warmer, ruhiger Nachmittag, und Cordelia hatte ein Gefühl, als wäre sie nie weggewesen.
Ja, da war sogar der Eingang zu dem unterirdischen Depot, nicht mehr getarnt, sondern erweitert. Davor hatte man eine große Fläche zum Landen und Laden planiert. Dort herrschte jetzt geschäftiges Gewimmel rings um eine Anzahl Shuttles. Der Wasserfall und der Teich waren verschwunden.
Cordelia schaute sich unterwegs nach allen Seiten um und betrachtete ihren Planeten. Als sie jetzt darüber nachdachte, erschien es ihr unvermeidlich, dass sie am Ende hier ankommen sollten; ja, es war wirklich ganz logisch. Sie schüttelte hilflos den Kopf.
Cordelia und ihre junge escobaranische Begleiterin wurden im Lager abgeliefert und dann von einem adretten Wachsoldaten zu einer Unterkunft in der Mitte einer der Reihen geführt. Sie traten in einen Raum, der zwar für fünfzig Menschen bestimmt, im Augenblick aber nur mit elf Frauen belegt war. Sie konnten sich also ihre Betten aussuchen.
Die anderen Gefangenen stürzten sich sofort auf die Neuankömmlinge, ganz begierig auf Nachrichten. Eine mollige Frau von etwa vierzig Jahren sorgte für Ordnung und stellte sich vor.
»Ich bin Leutnant Marsha Alfredi. Ich bin die rangälteste Offizierin in dieser Unterkunft. So weit es Ordnung gibt in diesem Saustall. Wissen Sie, was, zum Teufel, da draußen geschieht?«
»Ich bin Captain Cordelia Naismith von den Betanischen Expeditionsstreitkräften.«
»Gott sei Dank. Dann können Sie ja meine Funktion übernehmen.«
»O je.« Cordelia nahm ihre Kräfte zusammen. »Informieren Sie mich über alles.«
»Es war wirklich die Hölle. Die Wachen sind lauter Schweine. Dann kam gestern Nachmittag ganz plötzlich ein Haufen hochrangiger barrayaranischer Offiziere und ging durch das Lager. Zuerst dachten wir, sie hielten Ausschau nach Opfern für Vergewaltigungen, wie der letzte Haufen, der hier durchging. Aber heute morgen war die Hälfte aller Wachen verschwunden – die schlimmsten von der Bande – und wurden von einer Mannschaft ersetzt, die aussah, als käme sie von einer Parade. Und der barrayaranische Lagerkommandant … – ich konnte es nicht glauben. Sie haben ihn heute morgen auf den Landeplatz hinausgeführt und erschossen! Direkt vor aller Augen!«
»Ich verstehe«, sagte Cordelia, ziemlich tonlos. Sie räusperte sich. »Hm – haben Sie schon
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