Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
ihn spöttisch an. »Tatsächlich? Vielleicht b ekommt aber auch einfach nur jeder das, was er verdient.«
Was bildete sich diese blöde Kuh eigentlich ein? Doch J onas bemühte sich, Ruhe zu bewahren. Fassade war alles. »Und was verdiene ich?«, fragte er gedämpft und funkelte sie wütend an.
Im selben Moment kam Friederike in die Küche und blickte neugierig zu dem Pärchen auf. Doch noch bevor sie einen spitzfindigen Kommentar von sich geben konnte, ließ Vane ssa sie und Jonas alleine in der Küche stehen.
Am Abend – in seiner eigenen Wohnung – hatte Jonas die Schnauze gestrichen voll. Vanessa klebte an seinen Fersen wie eine dicke Eiterblase, und er konnte einfach nicht mehr warten. Während sie in der Küche stand und irgendeine Mahlzeit zubereitete, die ihn nicht interessierte, griff er nach dem Telefon und wählte die Nummer von Thox. Keine Heimlichtuerei, immerhin hatte Vanessa nie bestätigt, bei ihm gewesen zu sein. Es war also nicht ungewöhnlich, seinen besten Freund sprechen zu wollen. Nach dem dritten Klingeln, als hätte sie einen sechsten Sinn dafür, erschien Vanessa hinter ihm. Obwohl er sie nicht sehen konnte, spürte er ihre Gegenwart, und seine Nackenhaare stellten sich auf.
»Wen rufst du an?«, hörte er sie neugierig fragen. In ihrer Stimme lag keinerlei Misstrauen oder Argwohn.
Jonas wartete die Freizeichen vier und fünf ab, bevor er seinen Kopf zu ihr drehte. »Nur Thox.«
Vanessa wirkte plötzlich gleichgültig. »Ach so.«
Klingelzeichen sechs und sieben. »Aber er geht nicht ran.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Na und?«
Nach dem achten Klingelzeichen legte Jonas auf. Nicht einmal der Anrufbeantworter ging ran. Zu dumm, dass Thox kein Handy besaß. »Du weiß, wie wichtig er mir ist!«
»Wichtiger als ich?«, fragte Vanessa und verschränkte die Arme.
Er wollte die sich ihm anbietende Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Das hatte er noch nie getan. Nur dafür waren Gelegenheiten da. Also holte er zum Schlag aus.
»Was ist das für eine bescheuerte Frage? Natürlich ist er mir wichtiger als du.«
Vanessas Gesicht verkrampfte sich. Ihre Augen wurden schmal und ihre vollen Lippen pressten sich aufeinander. Trotzdem schien es kein Volltreffer gewesen zu sein – kein zitterndes Kinn und keine Tränen. Stattdessen bloß gekränkte Wut. »Dein toller Freund wird schon seine Gründe haben, warum er deinen ach so wichtigen Anruf nicht entgegennehmen kann«, zischte sie schnippisch. In ihrer Aussage lag etwas Bedrohliches. Denn Jonas wurde erneut von dem Gefühl beschlichen, dass sie ganz genau wusste, warum Thox nicht an sein Telefon ging.
Dienstag, 05. August
Jonas hatte es aufgegeben, nicht mehr mit Vanessa in einem Bett zu schlafen. Seine Couch war viel zu unbequem, und er sah es nicht ein, dass ausgerechnet er sich dort durch die Nacht quälen sollte – immerhin war das seine Wohnung, ve rdammt! Zu seiner größten Erleichterung schien Vanessa das Interesse an Sex vollständig verloren zu haben, und so lag eine gemeinsame Nacht in seinem Bett hinter ihnen, in der sie sich nicht auch nur im Mindesten berührt hatten.
Vanessa schien sich an nichts zu stören – weder an seiner Anwesenheit im Bett, noch am Mangel an körperlicher Nähe. Jonas dagegen wurde ihre Nähe mehr und mehr zuwider, doch er konnte sie einfach nicht abschütteln. Den zweiten Tag in Folge fuhr sie mit ihm in die Werbeagentur, wo sie inzwischen als siamesische Zwillinge berüchtigt waren. Di eser unzumutbare Zustand kam ihm schon jetzt vor wie eine Ewigkeit. Doch wirklich fahrig macht es Jonas, dass es ihm immer noch nicht gelungen war, wieder mit Maria zu sprechen. Den Anruf bei Thox hatte er erklären können, doch mit Maria zu reden, während Vanessa im Raum war, benötigte eine gut durchdachte Erklärung – doch die hatte Jonas im Augenblick einfach nicht. Und ein heimlicher Anruf war ebenso schwierig, da Vanessa seit ihrer Rückkehr die Neigung hatte, in seine Telefonate zu platzen.
Jonas vermisste Maria. Nicht nur, dass er sich Sorgen um sie machte, sondern ihm fehlten auch ihre Nähe und ihre Offe nheit für seine Gedanken. Niemals hätte er es für möglich gehalten, sich einer Frau emotional zu öffnen. Doch er hatte wirklich Gefühle entwickelt, die durchaus als Liebe zu bezeichnen waren. Hätte er das für möglich gehalten, wäre Jonas niemals auf Thox‘ Pakt für eine ausgleichende Gerechtigkeit eingegangen. Nun befand er sich in einer Zwickmühle. Er
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