Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
wollte sie beide, Maria und Thox, und es hatte nur eine Möglichkeit gegeben, um auch beide zu bekommen.
Und diese Möglichkeit war Vanessa.
Nach einem weiteren quälenden Tag bei der Arbeit wollte Jonas nur noch nach Hause – wohlwissend, dass ihn dort kaum die erwünschte Entspannung erwartete. Doch zu seiner grenzenlosen Überraschung war Vanessa bereits vor ihm und ohne ein Wort verschwunden. Abgesehen von einer beinahe erschütternden Verblüffung fühlte er sich erleichtert.
In seiner Wohnung überprüfte er jeden Raum zwei Mal, nur um sicherzugehen, dass Vanessa nicht schon vor ihm nach Hause gefahren war und nun in einem der Zimmer auf ihn lauerte. Als er sich sicher war, alleine zu sein, griff er zum Telefon und wählte eine vernachlässigte Nummer.
»Warum meldest du dich erst jetzt?«, begrüßte Maria ihn gereizt.
»Es ging nicht früher. Vanessa lässt mich kaum aus den A ugen.«
Ihre Stimme entspannte sich etwas. »Dein letzter Anruf hat mir Angst gemacht.«
»Tut mir leid … Aber … hast du die Waffe bei dir?« Unwillkürlich sah er sich in seinem Arbeitszimmer um. Obwohl er wusste, dass Vanessa nicht in der Wohnung war, erwartete er irgendwie trotzdem, dass sie jeden Augenblick im Türrahmen erschien. Niemals hätte er gedacht, dass ausgerechnet ihn der Verfolgungswahn packen würde.
»Ja, ich hab sie hier. Und das beunruhigt mich.«
»Hör zu, es gibt da etwas …«, begann er zögerlich, wurde aber gleich wieder von Maria unterbrochen, die plötzlich ungeduldig klang. »Ich hoffe, es hat etwas damit zu tun, wie wir dieses Miststück loswerden.«
»Ich denke schon.«
»Dann spuck‘s aus!«
»Vanessa begeht vielleicht Selbstmord.«
»Was willst du damit sagen?«
»Sie ist so … seltsam. Vielleicht wird sie es bald tun.«
Maria schwieg eine kurze Weile, und Jonas wollte schon nachfragen, ob sie noch da sei, als sie schließlich misstrauisch fragte: »Wirst du nachhelfen?«
Das hatte er tatsächlich bereits in Erwägung gezogen. Es war nicht das, was er wollte. Doch eine böse Vorahnung, die ihn seit einigen Tagen verfolgte, würde ihn vielleicht dazu zwi ngen, sich die Hände schmutzig zu machen. »Vielleicht ist das ein Test. Vielleicht ist es das, was Thox von mir erwartet … Dass ich es selber mache«, erklärte er seine Gedankengänge. Er wusste, dass Maria dafür Verständnis haben würde.
»Wirst du es tun?«
Darauf gab es nur eine Antwort, die ihm überhaupt nicht schmeckte, doch ihm blieb keine Wahl. »Wenn sie es nicht selbst macht? Ja.«
Maria am anderen Ende der Leitung blieb stumm. »Sag was!«, forderte er sie auf, um ihrem Schweigen zu entgehen.
Sie reagierte nicht sofort, doch schließlich sagte sie: »Wage es ja nicht, dich erwischen zu lassen, verstanden? Sonst drehe ich dir den Hals um.« Ihrer Stimme schwang Sorge mit, und trotz dieser unerfreulichen Aussichten fühlte sich Jonas wie der glücklichste Mann der Welt.
Nachdem das Gespräch beendet war, nutzte Jonas die Chance und ging früh ins Bett. Es war eine Wonne, es für sich alleine zu haben und etwas Erholung nachzuholen, und so fiel er schon bald in einen friedlichen Schlaf.
Dieser Frieden verflog jedoch schlagartig, als er im Halbschlaf und mit nur einem Ohr vernahm, dass Vanessa zurückkehrte. Der Alptraum begann erneut, und das Gewicht in seinem Bett neben ihm war Beweis dafür, dass sich das alles nicht nur in seinem Gehirn abspielte. Vanessa und alles, was mit ihr zu tun hatte, war realer als es ihm jemals recht sein könnte.
Mittwoch, 06. August
Als das Telefon in der Agentur klingelte, hatte Jonas noch keine Ahnung, dass es kein gewöhnlicher Anruf sein würde.
»Leuchtschrift 4 U Werbeagentur, Jonas Hoffmann, guten Tag.« Er war genervt. Er bekam sonst eher selten externe Anrufe, und wenn doch, dann waren es zumeist irgendwelche Verkäufer, die ihm neues Büromaterial andrehen wollten. Er hatte keinen Schimmer, warum ausgerechnet er immer diese Anrufe bekam.
Doch am Telefon war kein Verkäufer. »H…hallo?«, sagte eine Frau vorsichtig, und er konnte sich nicht erinnern, diese samtige Stimme jemals zuvor gehört zu h aben.
»Wer spricht da?«
Kurzes Schweigen. »Du kennst mich nicht …«
»Und warum rufen Sie mich dann an?«
»Es geht um Vanessa.«
Unwillkürlich sah Jonas sich im Büro um. Er konnte V anessa nirgendwo entdecken, was vermutlich bedeutete, dass sie sich abermals im Kopierraum befand – oder in ihrem erweiterten Arbeitsbereich, der Küche, wo sie
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