Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Quietschen der Tür könnte Vanessas Aufmerksamkeit erregen.
»Ist sie noch da?«
Jonas hielt schützend die Hand über Telefon und Mund, als er sprach. »Sie ist kurz im Bad, ich kann nicht lange sprechen. Hör gut zu, Maria.«
»Was ist denn?«
»Hast du noch die .45er?«
»Ja, aber warum …?«
Sein Blick huschte wieder zur Tür. »Ich möchte, dass du sie immer in deiner Nähe hast. Geladen.«
»Ja, in Ordnung, aber was ist denn passiert?«
Wie aus dem Nichts tauchte Vanessa im Türrahmen auf. Sie war in ein Handtuch gewickelt und blickte Jonas misstrauisch an. »Mit wem sprichst du da?«, fragte sie ruhig.
Jonas nahm das Telefon von seinem Ohr und spürte das wi lde Blut der Angst durch seinen Körper rauschen. »Mit niemandem … Nur mit Maria. Erinnerst du dich? Sie ist meine Halbschwester«, erklärte er etwas überrumpelt und befürchtete, sein Stottern könnte sie skeptisch machen. Doch zu seiner Überraschung verflog ihr misstrauischer Gesichtsausdruck, und nichts außer eine versteinerte Maske der Gleichgültigkeit blieb zurück.
»Oh, wie schön. Grüß sie von mir!« Dann verschwand V anessa aus seinem Blickfeld.
Kapitel 14
Heute
Montag, 04. August
N icht nur, dass Vanessa ihn die ganze Nacht nicht aus den Augen gelassen hatte, bis er irgendwann vollkommen übermüdet auf dem Sofa in einen unruhigen Schlaf gefallen war, nein, Vanessa bestand auch darauf, an diesem ersten Montag im August mit in die Werbeagentur zu kommen. Jonas hatte alles versucht, um es ihr auszureden, doch Vanessa blieb kompromisslos.
»Ich möchte einfach nicht alleine sein, verstehst du das denn nicht?«
Vermutlich hätte er das sogar verstanden – wenn er ihr geglaubt hätte. Doch ihn beschlich viel mehr das Gefühl, dass sie ihn nicht alleine lassen wollte, und dieser Verdacht verstärkte die stetig wachsende Befürchtung, dass Vanessa mehr wusste, als sie ihm sagen wollte.
»Hör zu, ich habe denen in der Werbeagentur gesagt, dass du zu deinen Eltern gefahren bist«, erklärte er ihr mit einem mulmigen Gefühl im Magen während sie gemeinsam zur A rbeit fuhren. Dass er mit Vanessa seine Lügen abstimmen musste, passte ihm ganz und gar nicht. So lieferte er sich ihr mehr aus, als es ihm recht war, doch ihm blieb keine andere Wahl. Wenn seine Lüge ans Licht kam, würde bei seinen Kollegen – allen voran Friederike - die Frage nach dem ‚Warum’ auskommen, und das konnte sehr unangenehm werden.
»Warum hast du denen das erzählt?«, fragte Vanessa dann, ganz so, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Sie sah ihn d abei nicht an, ihr starrer Blick war nur geradeaus durch die Frontscheibe gerichtet.
Jonas verfluchte das blöde Miststück. Warum musste sie immer alles hinterfragen? Es täte ihm besser, wenn sie es nicht täte … und ihr auch.
»Das habe ich dir doch bereits erklärt«, sagte er ungeduldig und spürte, wie sich die Anspannung bis zu seinen Fingerknöcheln ausbreitete, die nun weiß am Lenkrad hervorstachen. »Ich wusste ja nicht, wo du steckst. Und ich wollte mir nicht die Blöße geben, vor den Kollegen zugeben zu müssen, dass ich keine Ahnung habe. Vielleicht weißt du nicht, dass Leute gewisse Erwartungen an fremde Beziehungen haben.«
Nun drehte er den Kopf zur Seite und sah Vanessa able hnend an – was sie jedoch nicht bemerkte, da sie ihren Blick noch immer auf die Straße gerichtet hatte. Ihr Gesicht war eine Katastrophe! Sie sah aus, als hätte sie eine Auseinandersetzung mit einem Profiboxer gehabt – und verloren. Jonas wusste, dass sie auch dafür eine Erklärung parat haben mussten.
»Wenn dich jemand auf deine Verletzungen anspricht, sag ihnen, du wärst übe rfallen worden. Denk dir eine hübsche Geschichte aus.«
Jetzt blickte Vanessa ihn doch an, aber Jonas tat so, wi eder auf die Straße sehen zu müssen. Augenkontakt mit ihr machte ihn neuerdings unruhig. Dennoch hatte er mitbekommen, dass auch in ihren Augen eine gewisse Abneigung zu lesen gewesen war.
»Ich soll mir eine hübsche Geschichte über einen Überfall ausdenken? Soll ich vielleicht noch eine Vergewaltigung hinzufügen – ich meine, nur so, für einen höheren Unterhaltungsfaktor?«
»Mach, was du willst. Hauptsache, die in der Agentur gla uben dir.«
Vanessa musterte ihn kurz, dann sagte sie: »Ok, das werde ich.« Jonas spürte, dass Vanessa noch mehr sagen wollte, es jedoch nicht tat. Stattdessen konnte er im Augenwinkel e rkennen, dass sie nun aus dem Fenster der Beifahrerseite blickte, als
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